Tirol Beitrag

1. Juli 2023

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Interview mit Univ. Prof. Dr. Günter Weiss, Direktor Innere Medizin II, Infektiologie, Immunologie, Pneumologie und Rheumatologie; Geschäftsführender Direktor Departement Innere Medizin, Universitätsklinik Innsbruck

„Infektionskrankheiten stellen uns laufend vor große Herausforderungen.“

Univ. Prof. Dr. Günter Weiss wurde in Innsbruck geboren und promovierte 1990 mit Auszeichnung an der Universität Innsbruck @Florian Lechner

Nephro Tirol (NT): Herr Professor Weiss! Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen Corona und Immunsuppression bei transplantierten Patienten?

Günter Weiss (GW): Zum einen muss man deutlich sagen, dass die gegenwärtige Impfung einen soliden Schutz bietet. Die Omikron Variante ist glücklicherweise viel weniger aggressiv. Allerdings je schlechter das Immunsystem und je mehr Immunsuppression verabreicht werden muss, desto anfälliger ist ein Patient für Infektionen. Wir haben aber neben der Impfung mit antiviralen und Antikörpertherapien eine gute Basis, um schwere Verläufe zu verhindern!

NT: Wie sehen Sie als Immunologe die Corona Impfung?

GW: Die Impfung gegen SARS-CoV2 hat in der Pandemiebekämpfung einen wesentlichen Durchbruch gebracht. Entscheidend ist dabei eine effektive Grundimmunisierung. Diese verleiht einen langanhaltenden Schutz vor schweren Infektionen. Durch Veränderungen der zirkulierenden Viren wird es notwendig sein, adaptierte Impfstoffe, die an diese neuen Viren angepasst sind, zu entwickeln und sich damit auffrischen zu lassen, um so auch einen guten Schutz vor Infektionen zu erreichen, was besonders für Risikopatienten gilt.

NT: Ihr Schwerpunkt in der klinischen Forschung ist unter anderem die Infektiologie. Können Sie uns dazu etwas mehr ausführen?

GW: Infektionskrankheiten stellen uns laufend vor große Herausforderungen. Wir haben es einerseits mit neuen aber auch „alten“ wiederkehrenden Erregern zu tun, die aufgrund der hohen Mobilität rasch von einem Ende der Welt zum anderen gelangen können. Ferner breiten sich durch den Klimawandel Mücken und Zecken aus, die Infektionen übertragen können, die wir bisher nur aus subtropischen Gebieten kannten.

„Dazu kommen u.a. Herausforderungen durch Infektionen mit multiresistenten Erregern, aber auch Infektionen bei immungeschwächten Personen, was teilweise die Kehrseite der modernen Medizin mit Möglichkeiten des Organersatzes, Tumortherapien oder intensivmedizinischen Behandlungen ist“

Dazu kommen u.a. Herausforderungen durch Infektionen mit multiresistenten Erregern, aber auch Infektionen bei immungeschwächten Personen, was teilweise die Kehrseite der modernen Medizin mit Möglichkeiten des Organersatzes, Tumortherapien oder intensivmedizinischen Behandlungen ist. In der Forschung versucht man besser zu verstehen, was Mikroben dabei erfolgreich macht, die Abwehrmechanismen durch das Immunsystem zu überwinden und zu Infektionen zu führen. Umgekehrt wird durch Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Immunität, Stoffwechsel und Krankheitserregern versucht, neue Mechanismen zu entschlüsseln, die bei der erfolgreichen Bekämpfung von Infektionen helfen.

NT: Wie sehen Sie die Zukunft des Gesundheitssystems und die Forschung in Österreich?

GW: Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Allerdings werden wir immer älter und auch kränker. Die stationäre Versorgung wird steigen. Ich bin allerdings gegen die derzeitige „Jammerkultur“, die sich auf unterschiedlichen Ebenen da und dort etabliert. Zu meiner Zeit nach dem Studium haben wir noch 100 Stunden die Woche gearbeitet, das soll natürlich so nicht mehr sein. Als Mediziner tätig zu sein, ist aber ein toller und erfüllender Beruf.

„Als Mediziner tätig zu sein, ist aber ein toller und erfüllender Beruf.“

Natürlich hört es nie auf, sich fortzubilden und man ist immer mit neuen Herausforderungen aber auch immer mehr administrativer Tätigkeit konfrontiert. Wichtig ist trotz mancher Schwierigkeiten die Freude an seiner beruflichen Tätigkeit beizubehalten, sein Wissen weiterzugeben und ein kollegiales und wertschätzendes Verhältnis zwischen allen medizinischen Berufsgruppen zu leben, um unsere Patienten auf hohem Niveau bestmöglich behandeln zu können. Für die Forschung würde ich mir eine deutlich höhere Quote an Förderung in Österreich wünschen, um Spitzenmedizin weiter gewährleisten zu können!

NT: Herr Professor Weiss, besten Dank für das Gespräch! Das Interview erschien in den „Österreichischen Nieren Nachrichten“ Ausgabe 04/2022

Fact Box:
Univ. Prof. Dr. Günter Weiss wurde in Innsbruck geboren und promovierte 1990 mit Auszeichnung an der Universität Innsbruck mit einer am Institut für Medizinische Chemie und Biochemie verfassten Dissertation. Anschließend war er für weitere zwei Jahre als Post-Doc an diesem Institut tätig. 1992/93 und 1995 folgten Auslandsaufenthalte an den Europäischen Molekularbiologischen Labors in Heidelberg, Deutschland (Gene Expression Programme) und 1998 eine Gastprofessur an der George Washington University in Washington, DC. Prof. Weiss habilitierte sich 1996 für Medizinische Biochemie und 1999 für Innere Medizin. Seit 2012 ist Weiss Direktor der Inneren Medizin II, Infektiologie, Immunologie, Pneumologie und Rheumatologie und derzeit geschäftsführender Direktor des Departement Innere Medizin, Universitätsklinik Innsbruck. Prof. Weiss ist Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften.