ANÖ Beitrag

29. September 2022

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Austrian Health Report 2022: Wie fair, fit und effizient ist das österreichische Gesundheitssystem?

Bilanz und Kritik aus Sicht der Österreicher und Fachkräften des Gesundheitswesens

Mehrheit der Befragten (56% Bevölkerung/ 54% Health Care Professionals – HCP) zufrieden mit Gesundheitssystem
80% der Österreicherinnen glauben, dass schneller behandelt wird, wer es sich leisten kann. 40% der HCP üben Kritik an Wartezeiten und Fairness, 25% an Qualität der medizinischen Versorgung
Nur 44% der Bevölkerung wissen sicher, was Generika sind, 80% der HCP haben viel Erfahrung mit Generika, aber nur jeder Vierte mit Biosimilars
73% der Österreicher:innen vertrauen in Gesundheitsfragen Hausarzt/-ärztin
Nur 15% der HCP glauben, dass Vorteile durch Digitalisierung im Gesundheitswesen überwiegen

Die Mehrheit der Österreicher:innen ist mit dem österreichischen Gesundheitssystem grundsätzlich zufrieden, der Anteil der zufriedenen medizinischen Fachkräfte liegt bei zwei Drittel. Und doch gibt es einige Kritikpunkte – von Seiten der Bevölkerung wird der gleiche Zugang für alle in Frage gestellt, von Seiten der HCPs Wartezeiten aber auch die Qualität der medizinischen Versorgung. Ein gutes Zeugnis in punkto Vertrauen stellen die Österreicherinnen ihren Hausärzten und -ärztinnen aus.

„Was die Wahrnehmung der Qualität der medizinischen Versorgung in Österreich anbelangt, sind wir von Top-Ergebnissen weit entfernt: 60% der Bevölkerung zeigen sich zufrieden, bei den Experten/innen sind es immerhin 76%. Die Turbulenzen der vergangenen Jahre hinterlassen diesbezüglich ihre Spuren.“
(Dr. Reinhard Raml, Geschäftsführer IFES )

Eine aktuelle repräsentative Studie zeigt, wie fit und fair das österreichische Gesundheitssystem ist. Der im Auftrag von Sandoz Österreich durch IFES erstmals durchgeführte Austrian Health Report 2022 adressiert in zwei Befragungswellen Bevölkerung und medizinisches Fachpersonal. Das Ergebnis sind umfassende Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Österreicher:innen, zu Bewältigung der Pandemie und Vertrauen in Arzneimittel, zu Belastung des Gesundheitssystems, zu Information und Digitalisierung im Gesundheitswesen u.a.m.

Optimierungsbedarf im Gesundheitssystem

Trotz der relativ mehrheitlichen Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheitssystem, sowohl in der Bevölkerung (56%) als auch bei Fachkräften im Gesundheitswesen (54%), äußern beide Kreise gravierende Kritik und orten Verbesserungspotenzial. Das betrifft zum einen Infrastruktur und Personal – über 80 Prozent der Befragten unterstreichen, dass die Zahl der Betten in den Krankenhäusern nicht reduziert werden darf bzw. Personal im Gesundheitswesen deutlich aufgestockt werden muss. Das betrifft aber auch eine gefühlte Zwei-Klassenmedizin: 79 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Menschen, die es sich leisten können, schneller behandelt werden. Auch hinsichtlich ausreichend kurzer Wartezeiten auf Termine und Behandlungen fällt das Urteil der Befragten kritisch aus: Nur 14 Prozent der Österreicherinnen insgesamt und 29 Prozent der medizinischen Fachkräfte können das unterstreichen. Auch bezüglich der Leistbarkeit der medizinischen Versorgung für alle ist die Einschätzung ernüchternd: Nur vier von zehn Österreicher:innen stimmen dieser Aussage zu, in der Gruppe der HCPs finden das 68 Prozent zutreffend.

Unabhängige Versorgung

Sensibilisiert durch die Krisen der vergangenen Monate scheint das Bedürfnis nach mehr Unabhängigkeit und damit Versorgungssicherheit in allen Bevölkerungsschichten zu steigen: So hält die Mehrheit der Befragten eine von Asien/anderen Ländern unabhängigere Medikamentenproduktion in/für Österreich/EU für relevant. 63 Prozent halten (eine größere) Unabhängigkeit für sehr, weitere 28 Prozent für eher wichtig. Die damit verbundenen höheren Kosten für das österreichische Gesundheitssystem halten knapp zwei Drittel für (eher) vertretbar (24% sehr, 40% eher schon).

„Nur 33 Prozent der in Europa zugelassenen Wirkstoffe werden auch lokal produziert. So entstehen Lieferengpässe für wichtige Medikamente und gefährden die Versorgungssicherheit. Eine effiziente, europaweite Pharma-Strategie, in der Produktionsstruktur und Lieferketten resilienter gestaltet werden, der starke Preisdruck auf Generika reduziert wird sowie umfassende Aufklärung und Information über deren Einsatz, sind daher von hoher Bedeutung.“
(Dr. Wolfgang Andiel, Head External Affairs und Market Access, Sandoz Austria )

Heimische Produktion wird auch von einer klaren Mehrheit der Fachkreise (81%) gestützt, wobei diese den Apotheker:innen (94%) noch wichtiger erscheint als den Ärzt:innen (76%) – ein zentraler Aspekt hierbei ist die Unabhängigkeit vom internationalen Ausland.

Wissen um Generika

Das Wissen in der Bevölkerung über Generika unterscheidet sich deutlich abhängig von Alter und Erfahrung aufgrund regelmäßiger Medikamenteneinnahme. Insgesamt sind sich 44 Prozent sicher zu wissen, was Generika sind, weitere 23 Prozent „eher schon“. In der Altersgruppe 60+ und bei chronisch Erkrankten trauen sich 64 Prozent bzw. 59 Prozent zu, Generika „sicher“ definieren zu können. Für 63 Prozent spielt es keine (große) Rolle ob ein Original oder ein Generikum verschrieben wird bzw. weiß nicht einmal jede/r Zweite, ob es sich beim verschriebenen Medikament um ein Originalmedikament oder Generikum handelt.

Die Erfahrungen mit Generika in der beruflichen Praxis von Health Care Professionals sind entsprechend hoch: Acht von Zehn geben an, viel Erfahrung damit zu haben. Bei Biologika fallen die Erfahrungswerte deutlich ab: Nur 44 Prozent haben viel Erfahrung mit dieser Wirkstoffgruppe. Bei Biosimilars gibt nur ein Viertel der Professionals an, über viel Erfahrungen damit zu verfügen. Bei Biologika und Biosimilars sind es insgesamt jeweils rund ein Drittel, die angeben wenig bis gar keine Erfahrung damit zu haben.

Vertrauen in punkto Gesundheit

Die Informationsquelle, der die Österreicher*innen in Gesundheitsfragen am meisten vertrauen, ist die eigene Hausärztin/der Hausarzt. 73 Prozent haben (sehr) hohes Vertrauen, nur 2 Prozent gar kein Vertrauen. Direkt danach folgen die Herstellerangaben zu z.B. Nebenwirkungen (Beipackzettel): 51 Prozent haben (sehr) hohes Vertrauen. Der Anteil an „gar kein Vertrauen“ ist mit 4 Prozent ebenfalls äußerst gering. Wesentliche Informationsquellen mit hoher Glaubwürdigkeit und entsprechenden Vertrauenswerten ist auch das eigene persönliche Umfeld. Informationen, die im Internet zu finden sind, rangieren im Mittelfeld – und das über alle Altersgruppen.

Fake News in Alltag und Beruf

Im Internet zwischen richtigen und falschen Informationen zu unterscheiden, fällt jungen Befragten (bis 29 J.) am leichtesten, aber auch in dieser Altersgruppe halten es 36 Prozent für (sehr) schwierig, Fake News zu erkennen. In der Altersgruppe 60+ geben nur noch 11 Prozent an, leicht zwischen wahr und falsch unterscheiden zu können.

Aber auch im Beruf sind Fake News zu Gesundheit ein Thema: Die Hälfte der Health Care Professionals ist im beruflichen Alltag häufig mit Fake News konfrontiert – ein Drittel der Ärzteschaft meint, es sei schwierig, dagegen vorzugehen.

Die Beurteilung der Politik und ihrer Entscheidungen hinsichtlich der Covid-Pandemie fällt sehr kritisch aus – auch im Hinblick darauf, dass sich 95 Prozent der Health Care Professionals erwarten, dass wissenschaftliche Erkenntnisse unabhängiger Experteninnen von der Politik ernsthaft berücksichtigt werden sollten.
Zukunft des Gesundheitswesen.

Die Digitalisierung im Gesundheitsbereich wird von HCPs zwar überwiegend positiv gesehen, dennoch meinen nur 15 Prozent, dass auf jeden Fall die Vorteile überwiegen würden, für weitere 57 Prozent überwiegen diese „eher“ und 22 Prozent sehen die Digitalisierung sogar nachteilig.

Uneingeschränkt positiv wird von medizinischen Fachkräften das e-Rezept bzw. die Verschreibung via e-Medikation gesehen (Befürwortung insgesamt: 90%). Positiv aufgenommen wird von insgesamt 72 Prozent auch die Unterstützung von Operationen durch Roboter. Bei anderen Trends sind Skepsis bzw Ablehnung unter den Health Care Professionals groß: Rund 30 Prozent lehnen öffentlich (online) zugängliche Leistungskriterien von Krankenhäusern und Ordinationen oder auchTelemedizin/Telemonitoring eher/sehr ab. Und fast doppelt so viele – rund 60 Prozent – sprechen sich gegen den Einsatz von Robotern in der Pflege und öffentlich (online) zugänglichen Bewertungen von Patienten/innen aus (lehnen eher/sehr ab).