ANÖ Beitrag

12. Mai 2022

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Sozialausschuss: Kontroverse Diskussion über angekündigte Pflegereform der Bundesregierung in der Höhe von 1 Mrd. €

(Wien/PK) – Bei den Gesundheitsmaterien, die heute ebenfalls im Sozialausschuss behandelt wurden, ging es primär um die Verlängerung von speziellen Corona-Bestimmungen. Zudem können Beschäftigte, die sogenannten COVID-19-Risikogruppen angehören, noch bis Ende 2022 bei voller Entgeltfortzahlung vom Dienst frei gestellt werden, falls dies noch erforderlich ist. Die dazu vorliegenden Anträge von ÖVP und Grünen wurden teils in der Fassung von Abänderungsanträgen mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen.

Bei der Behandlung von Oppositionsanliegen zum Thema Pflege gab es dann eine breite Diskussion über die heute von der Regierung angekündigte Reform in diesem Bereich. In Vertretung von Minister Johannes Rauch, der aufgrund der an ihn gerichteten Dringlichen Anfrage im Bundesrat nur kurz im Ausschuss anwesend sein konnte, gab die Generalsekretärin des Ressorts einen kurzen Überblick über die geplanten Eckpunkte. Insgesamt werde in den nächsten beiden Jahren eine Milliarde Euro in die Pflege fließen, wobei 520 Mio. € für Gehaltserhöhungen zur Verfügung stehen, hob Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) hervor. Damit habe man deutlich mehr als die Vorgängerregierungen geschafft. Nach Ansicht von Ernst Gödl (ÖVP) handle es sich um einen großen Wurf, der insgesamt 20 Maßnahmen umfasse. Vorerst bestehe die Reform nur aus Ankündigungen, merkte die Opposition kritisch an, die zudem eine Reihe von weiteren Forderungen stellte. Insbesondere sei die Finanzierung der Maßnahmen nach 2024 nicht gesichert.

Verlängerung von Corona-Bestimmungen und der Möglichkeit zur Dienstfreistellung für Beschäftigte mit COVID-19-Risiko-Attest

Coronaspezifische Bestimmungen sollen in insgesamt drei Gesetzen aus dem Gesundheitsbereich verlängert werden. So sollen durch die Novellierung des Epidemiegesetzes (2489/A) Ende Juni 2023 die rechtlichen Grundlagen etwa für die Durchführung von Screeningprogrammen, die Ausstellung von Impf- und Testzertifikaten oder die Verhängung von Ausreisebeschränkungen weiter gelten. Auch wird es im Bedarfsfall weiterhin möglich sein, Gastronomiebetriebe und Veranstalter zur Erhebung von Kontaktdaten ihrer Gäste zu verpflichten sowie Infektionsfälle an den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin zu melden. Ebenso bleiben spezielle Strafbestimmungen aufrecht. Weiters sollen die Länder im Falle einer Krisensituation von bestimmten Auflagen für Krankenanstalten – etwa in Zusammenhang mit der Errichtungs- und Betriebsbewilligung – absehen können, sofern der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen gewahrt bleibt. Auch diese Sonderregelung im Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten gilt bis Juni 2023 (2488/A).

Bei den vorgeschlagenen Änderungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, im MTD-Gesetz und im Sanitätergesetz (2492/A) handelt es sich um einige spezielle berufsrechtliche Bestimmungen, die bis Ende 2023 prolongiert werden. Darunter fallen unter anderem Labortätigkeiten für medizinisch-technisches Gesundheitspersonal ohne ärztliche Anordnung, die Durchführung von Corona-Impfungen und Corona-Tests durch Sanitäter:innen sowie das Aussetzen der Registrierungspflicht von Angehörigen von Gesundheits- und Krankenpflegeberufen mit ausländischem Bildungsabschluss. Um der angespannten Personalsituation in Krankenanstalten und anderen Einrichtungen entgegenzuwirken, sieht der Gesetzentwurf darüber hinaus vor, Angehörigen von Gesundheits- und Krankenpflegeberufen, die im Ausland ausgebildet wurden und noch nicht alle Auflagen für eine volle Anerkennung ihrer Berufsqualifikation in Österreich erfüllen, unter bestimmten Voraussetzungen eine befristete Berufsausübung zu ermöglichen. Das betrifft zum einen die Pflegeassistenz und zum anderen die Pflegefachassistenz, wobei die bedingte Eintragung in das Gesundheitsberufsregister auf zwei Jahre befristet und nicht verlängerbar ist.

Neben den Initiativen aus dem Gesundheitsbereich standen auch sozialrechtliche Änderungen auf der Agenda. Bis Jahresende 2022 in Kraft lassen wollen die Regierungsfraktionen jene Bestimmungen im ASVG und im Beamten-Kranken- und Unfallgesetz, die zu Beginn der Corona-Pandemie speziell für COVID-19-Risikogruppen eingeführt wurden (2491/A). Damit können Beschäftigte mit bestimmten Vorerkrankungen – unter voller Entgeltfortzahlung – neuerlich vom Dienst freigestellt werden , sollte sich die Pandemielage wieder zuspitzen und die Betroffenen keine Möglichkeit haben, im Homeoffice bzw. an einem besonders geschützten Arbeitsplatz zu arbeiten. Inwieweit und für welchen Zeitraum diese Regelung tatsächlich benötigt wird, ist von den jeweils zuständigen Ministern per Verordnung festzulegen.

Vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Freiheitlichen, in dem sie ein Ende der Maskenpflicht in allen Wirtschaftsbereichen fordern (2495/A(E)). Die Abgeordneten Peter Wurm und Dagmar Belakowitsch waren der Meinung, dass den MitarbeiterInnen in bestimmten Teilen des Handels das Tragen von FPP2-Masken vor allem in der warmen Jahreszeit nicht zumutbar sei. Österreich habe immer die strengsten Maßnahmen gehabt, gleichzeitig aber auch eine hohe Anzahl von Corona-Toten aufgewiesen, gab Belakowitsch grundsätzlich zu bedenken.

Österreich sei das einzige Land in Europa, in dem es noch eine FFP2-Maskenpflicht in den Supermärkten gebe, zeigte auch Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) auf. Er forderte zudem die Politik mit Nachdruck auf, endlich in die Normalität überzugehen und mit der „Panikmache, Unterdrückung und Freiheitsberaubung“ aufzuhören. Man müsse mit dem Virus leben und nicht von ihm, betonte er. Es brauche wieder eine Politik der Zuversicht und des Optimismus. Was die konkreten Gesetzesinitiativen betrifft, so würden die vorgeschlagenen Änderungen u.a. die Möglichkeit eröffnen, dass notwendige Behandlungen in den Krankenhäusern nicht durchgeführt werden; dies sei unglaublich. Auch die Fortführung der Erhebung der Kontaktdaten bemängelte er, denn diese habe ohnehin nie richtig funktioniert. Bei den Dienstfreistellungen frage er sich, wie lange die Leute noch zu Hause sitzen sollen. Massive Kritik äußerte Loacker auch daran, dass eigentlich für den Gesundheitsausschuss vorgesehene Vorlagen dem Sozialausschuss zugewiesen wurden. Er stellte daher bei den gesundheitsrelevanten Materien Zuweisungsanträge an den Fachausschuss; diese wurden nur von den Oppositionsparteien unterstützt und fanden somit keine Mehrheit.

Dafür hatte Alois Stöger (SPÖ) überhaupt kein Verständnis. Dies zeige ein weiteres Mal, dass die Bundesregierung am Ende sei, zumal sie nicht einmal mehr banale Fristverlängerungen rechtzeitig schaffe. Da dieses Vorgehen System habe, befürchtete Stöger einen massiven Vertrauensverlust und einen Schaden für die Demokratie. Besonders bedauerlich sei die neue Regelung, wonach Angehörigen von Gesundheits- und Krankenpflegeberufen, die im Ausland ausgebildet wurden und noch nicht alle Auflagen für eine volle Anerkennung ihrer Qualifikationen in Österreich erfüllt haben, unter bestimmten Voraussetzungen eine befristete Berufsausübung ermöglicht werde. Obwohl sie dadurch grundsätzlich „gleichgestellt werden“ sollen, erhalten sie weniger Lohn. Das könne man nur als „staatlich angeordnetes Sozialdumping“ bezeichnen.

Dem widersprach Ralph Schallmeiner von den Grünen vehement. Es handle sich dabei um eine pragmatische Lösung, die von einigen Betroffenen selbst gefordert wurde. Da die Nostrifizierungsverfahren oft länger dauern, könnten sie andernfalls gar nicht arbeiten. Mit der Aussage „die Pandemie sei definitiv noch nicht vorbei“ begründete er generell die zur Debatte stehenden Anträge. Da man nicht eindeutig sagen könne, wie die Lage im Herbst aussehe, müssen die rechtlichen Grundlagen verlängert werden.

ÖVP-Mandatar Josef Smolle sprach von einer notwendigen Prolongierung von Fristen in den wichtigen Rahmengesetzen. Den Freiheitlichen, die auf ein Ende der Maskenpflicht drängen, hielt er entgegen, dass es noch einen Schutz für die vulnerablen Gruppen brauche. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) trat dafür ein, die Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen noch weiter zu beschleunigen.

Ein gewisses Maß an Vorsicht sei laut wissenschaftlicher Einschätzung angebracht, stellte Bundesminister Johannes Rauch im Hinblick auf die Forderung zum Ende der Maskenpflicht fest. Man dürfe einfach nicht vergessen, dass Menschen an COVID-19 „elend sterben“ können, und zwar nicht nur Personen über 80 Jahre. Generell verschließe er sich jedoch nicht davor, die Maskenregel vor dem 7. Juli zu beenden, wenn es evidenzbasierte Gründe dafür gebe.

Die Anträge der Regierungsfraktionen wurden teils unter Berücksichtigung von kleineren redaktionellen Änderungen mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen; der FPÖ-Antrag wurde vertagt. Die Zuweisungsanträge der NEOS fanden keine Mehrheit.

Vorschläge der Opposition zur künftigen Ausgestaltung des Pflegesektors wurden vertagt

Die auf der Tagesordnung stehenden Oppositionsanträge zum Thema Pflege waren angesichts der heute präsentierten Reform der Regierung in diesem Bereich ein willkommener Anlass, um über die einzelnen Forderungen von SPÖ, FPÖ und NEOS im Ausschuss zu diskutieren. Die SPÖ hat ein umfassendes Paket für eine Pflegeoffensive eingebracht, das unter anderem bundesweit einheitliche Zielsetzungen, eine Finanzierung aus einem Topf, eine Ausbildungsoffensive, eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die Einrichtung eines Pflegegarantiefonds für kostenlose Pflegeleistungen umfasst (2349/A(E)).

Die Freiheitlichen schlagen erneut das sogenannte Kärntner Pflegemodell vor, das den Schwerpunkt auf die Betreuung zu Hause legt und somit einen klaren Systemwechsel einleiten soll (1945/A(E)). Die Eckpunkte des Modells bestehen in der Einführung eines sogenannten Pflegeschecks, in der sozialen Absicherung der pflegenden Angehörigen, der steuerlichen Entlastung von Pflegeberufen sowie in der Etablierung neuer Ausbildungsmodelle. Ein wichtiges Anliegen ist ihnen auch die Stärkung der Übergangspflege, also der rehabilitativen Pflege, als Überbrückung nach einer Akutbehandlung im Krankenhaus, bevor ein Patient oder eine Patientin nach Hause entlassen wird (2339/A(E)).

Obwohl der Pflegenotstand in aller Munde sei, wisse kaum jemand, wie viel das österreichische Pflegesystem koste, bemängelte Fiona Fiedler von den NEOS. Aufgrund der Altersstruktur werde zwischen 2025 und 2050 eine Verdreifachung der Kosten erwartet. Diese Prognosen würden aber nur mit dem vorhandenen Ausbaugrad rechnen, viele weitere Faktoren seien unklar. Zusätzlich müsste etwa analysiert werden, welche Summen an Pensionsbezügen und Mindestsicherungsgeldern zur Abdeckung von Heimkosten genützt werden. Die NEOS fordern vom Sozialminister zum Zweck der besseren Finanzplanung daher eine umfassende Kostenanalyse der Pflege in Österreich ein (2478/A(E)).

Die Generalsekretärin des Sozialressorts skizzierte die Eckpunkte des neuen Pflegemodells. Es bringe nicht nur finanzielle Verbesserungen für die Bediensteten, sondern stelle auch entscheidende Weichen im Ausbildungsbereich, die von einem Pflegestipendium bis zum Modellversuch der Pflegelehre reichen. Die konkreten Details müssten aber noch mit den Ländern in einem gemeinsamen Steuermodell erarbeitet werden.

Während die Abgeordneten Ernst Gödl (ÖVP) und Ralph Schallmeiner (Grüne) von einem großen Wurf sprachen und auf zahlreiche positive Rückmeldungen vor allem aus den Ländern und den Trägerorganisationen verwiesen, zeigte sich die Opposition unzufrieden. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sprach von einem „Sammelsurium von Absichtserklärungen“, das nur wenige positive Elemente enthalte. Kritisch beurteilte sie, dass offenbar nur ein ganz kleiner Teil der pflegenden Angehörigen einen Bonus erhalten werde und dass das System weiterhin auf der Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften basiere. Es sei zwar gut, dass es nun endlich einen Reformvorschlag gebe, räumte Fiona Fiedler (NEOS) ein, aber eine Regelfinanzierung gebe es noch immer nicht. Auch Verena Nussbaum (SPÖ) sprach das Finanzierungsproblem an und brachte den von ihrer Fraktion vorgeschlagenen Pflegegarantiefonds ins Spiel. Außerdem würden einheitliche Zielsetzungen sowie ein ausreichender Bonus für die pflegenden Angehörigen, der derzeit nur 4 € pro Tag ausmachen würde, fehlen. Die Mitarbeiter:innen im Pflegebereich seien mittlerweile total erschöpft, meinte Abgeordneter Christian Drobits, es brauche daher dringend einen adäquaten Personalschlüssel. Mehr erwartet hätte er sich auch für die pflegenden Angehörigen, die etwa im Burgenland die Möglichkeit haben, sich anstellen zu lassen. Abgeordneter Alois Stöger (SPÖ) zeigte sich skeptisch, wie die sechste Urlaubswoche in der Privatwirtschaft in der Praxis umgesetzt werden könne.Alle Vorschläge der Opposition wurden schließlich vertagt.

Maßnahmen gegen die Teuerungswelle: SPÖ für vorgezogene Pensionsanpassung, FPÖ für Stopp der Kostenlawine

Angesichts der aktuellen Preissteigerungen tritt die SPÖ für eine vorgezogene Pensionsanpassung ein (2239/A(E)). Der Kaufkraftverlust von Pensionist:innen sei bei einer Teuerungsrate von 5,1% enorm, die Mehrwertsteuereinnahmen würden parallel ansteigen, zeigt Abgeordneter Christian Drobits (SPÖ) auf. Die bisher beschlossenen Einmalzahlungen reichen aus seiner Sicht nicht aus, um die Teuerung auszugleichen. Als dauerhafte Lösung schlägt man eine vorgezogene Pensionsanpassung auf Basis der Inflation im Beobachtungszeitraum von August 2021 bis Jänner 2022 vor. Die außerordentliche Erhöhung soll bei der nächsten regulären Anpassung angerechnet werden. Die SPÖ fordert vom Sozialminister eine Regierungsvorlage spätestens im zweiten Quartal 2022, mit der eine Pensionsanpassung von mindestens 4% ermöglicht wird.

Auch der FPÖ gehen die von der Bundesregierung gesetzten Entlastungsmaßnahmen nicht weit genug. Es müssen wirksame Maßnahmen zur Entlastung auf den Weg gebracht werden, damit Menschen mit geringen Einkommen nicht Gefahr liefen, sich infolge der Teuerungen das Leben nicht mehr leisten zu können, führte Dagmar Belakowitsch bei der Debatte über einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion ins Treffen (2427/A(E)). Im Antrag sind zahlreiche Forderungen zum „Stopp der derzeitigen Kostenlawine“ aufgelistet. Diese beinhalten die Halbierung – und bei weiteren Preisanstiegen – die völlige Streichung sowohl der Mehrwertsteuer als auch der Mineralölsteuer auf Treibstoffe sowie der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom für Privathaushalte und kleine und mittlere Unternehmen. Weiters wird die Erhöhung des Pendlerpauschales, die Streichung der geplanten CO2-Abgabe, ein Heizkostenzuschuss für bedürftige Personen in der Höhe von mindestens 300 € pro Haushalt und eine automatische Inflationsanpassung für Versicherungs-, Familien- und Sozialleistungen gefordert. Zudem soll es zu Lohnerhöhungen, zu einer Senkung der Lohnnebenkosten, zu einem „Ende der schikanösen und extrem teuren Corona-Politik“, zu einer Evaluierung der Sanktionen gegen Russland sowie zu keinen weiteren gemeinsamen Schuldenaufnahmen durch die EU kommen. Abgeordneter Markus Koza (Grüne) stellte aufgrund der laufenden Verhandlungen über neue Teuerungsausgleichsmaßnahmen Vertagungsanträge, die mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen wurden.