In Österreich gibt es keine funktionierende Schmerzmedizin

Experten kritisieren, dass Kassenverträge für niedergelassene Fachärzte sowie Schmerzzentren fehlen und die Ambulanzen unterfinanziert sind

(ANÖ/APA). In Österreich fehlen die wesentlichen Bestandteile einer flächendeckend funktionierenden Schmerzmedizin. Fachärzte in der niedergelassenen Praxis bekommen keine Kassenverträge, die Spitalsambulanzen sind unterfinanziert, multimodale Zentren gibt es kaum – alle diese Vorwürfe hagelte es kürzlich von Experten bei einer Gesprächsrunde in Wien.

„Die Patienten, die zu mir kommen, sind sehr verzweifelt. Multimodale Schmerzzentren gibt es in Österreich eigentlich nicht. Die Wartezeiten sind ein Problem. Bei Fachärzten sind es zwei bis drei Monate, bei den Schmerzambulanzen vier bis fünf Monate“, sagt Susanne Fiala (Selbsthilfegruppe Schmerz) bei einem vom Pharmakonzern Sanofi organisierten Hintergrundgespräch.

„1,7 Millionen Menschen leiden in Österreich an chronischen Schmerzen, 350.000 bis 400.000 leiden unter starken chronischen Schmerzen. 1,4 bis 1,8 Milliarden Euro werden in Österreich direkt für die Behandlung ausgegeben. Es gibt pro Jahr 4.400 Neupensionierungen wegen chronischer Rückenschmerzen“, sagt Waltraud Stromer, Anästhesistin am LKH Horn in Niederösterreich. Der hohe Mitteleinsatz verpuffe auch zu einem gewissen Grad wegen der Insuffizienz des Systems.

Schwere Defizite

Während durchaus effiziente Medikamente und Behandlungsmethoden für Menschen mit chronischen Schmerzzuständen vorhanden wären, verhindern in Österreich laut den Experten offenbar schwere strukturelle Defizite die Versorgung der Betroffenen. Da zum Beispiel schwere chronische Schmerzzustände bzw. die eigenständige Schmerzkrankheit als Folge davon im leistungsorientierten Finanzierungssystem für die Krankenhäuser nicht aufscheine, hätte man beispielsweise in Horn die Schmerzambulanz geschlossen.

Im aktuellen internationalen Krankheitsverzeichnis ICD10 sei das Krankheitsbild zwar verzeichnet, doch die österreichische Krankenkassenmedizin bilde eine Schmerzmedizin auf der Ebene von niedergelassenen Fachärzten nicht ab. Kassenverträge gibt es für diese Spezialisten laut Waltraud Stromer nicht.

Viele Forderungen

„Ich bin nicht in die Wahlarztmedizin (als Schmerzspezialistin; Anm.) gegangen, weil ich es mir dort gemütlich machen wollte. Ich bekomme ja keinen Kassenvertrag“, erklärt die Ärztin ihre Beweggründe. Die Experten fordern eine entsprechende Ausbildung der Hausärzte, die Abgeltung von Leistungen in der Schmerzmedizin in der niedergelassenen Praxis durch die Krankenkassen, ein flächendeckendes Netz von Schmerzambulanzen in Spitälern mit ausreichenden Kapazitäten und die Schaffung von ausreichend vielen multimodalen Schmerzzentren für die am schwierigsten zu behandelnden Patienten. Genauso müsse eine multimodale Rehabilitation von Kranken mit chronischen Schmerzen organisiert werden.

„Das schlimmste an dem Thema ist, dass man nicht ernst genommen wird“, sagt Christine Ferch, wegen einer Wirbelsäulen-Skoliose seit rund 50 Jahren Schmerzpatientin – und erst seit einiger Zeit durch eine spezifische und effiziente Therapie weitgehend beschwerdefrei.