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19. Juli 2018

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Breite Allianz gegen Ausgabenbremse für Kassen

Gemeinsamer Auftritt der Chefs von ÖGB, Ärztekammer und Sozialversicherung – Gesundheitsministerin spricht von „unbegründeter Panikmache“

(ANÖ/APA). Wien – Zu einer bisher nicht gekannten Allianz haben sich am Donnerstag die Chefs von Gewerkschaft, Ärztekammer und Sozialversicherung zusammengefunden. Anlass war der gemeinsame Protest gegen die Ausgabenbremse für die Krankenkassen, die vergangene Woche von ÖVP und FPÖ überfallsartig beschlossen worden war. Alle drei appellierten an die Regierung, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Alexander Biach, Vorstandsvorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, führte in der Pressekonferenz aus, welche Konsequenzen durch den Beschluss drohen: Österreichweit 33 vereinbarte Projekte müssen demnach gestoppt werden, etwa ein Eltern-Kind-Therapiezentrum in Bad Ischl und die Zusammenlegung von Landes- und Unfallkrankenhaus in Klagenfurt. Insgesamt gehe es um Bauprojekte im Ausmaß von 400 Millionen Euro.

Keine neuen Ärzteverträge

Auch neue Ärzteverträge müssen warten, mit entsprechenden Konsequenzen für die Patienten. Hier geht es etwa um die Steiermark, das Burgenland, Oberösterreich und Tirol. Auch der Primärversorgungsvertrag kann nicht abgeschlossen werden, jener für CT- und MR-Untersuchungen wird nun möglicherweise nicht verlängert – beides Bereiche, die der Politik bisher sehr wichtig waren.

„Sie erwarten heute Kampfansagen, das ist aber nicht der Fall“, betonte Biach. Die Sozialversicherung teile die Ziele der Bundesregierung in diesem Bereich, auch Reformen seien machbar, aber ohne Konflikte und ohne Misstrauen: „Wir wollen ordentlich eingebunden werden und werden konstruktiv beitragen.“

Er appellierte dafür, die Ausgabenbremse zu lösen und wieder in den Dialog mit den Sozialpartnern einzusteigen. Signale, dass das möglich sei, erkannte er etwa in Oberösterreich, wo in Eferding und Linz blockierte Bauprojekte nun doch realisiert werden sollen.

Gegen „Husch-pfusch“-Gesetz

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres befürchtete ein Vorrücken der Privatmedizin durch die Maßnahme, was für die Ärmeren in der Gesellschaft nicht bezahlbar sei: „Es wird kein Arzt verhungern, wenn es kein Kassensystem gibt, aber es ist zum Schaden der Patienten.“ Er verwies auch auf maßgebliche Juristen, die diesen Eingriff in die Selbstverwaltung als verfassungswidrig gewertet hatten.

Auch Szekeres äußerte die Hoffnung auf eine Rücknahme des „Husch-pfusch“-Gesetzes, wie er es nannte. Noch setze man auf den Dialog, gab aber er sich aber ebenso noch zurückhaltend wie ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. „Wir kündigen Kampfmaßnahmen nicht an. Wir machen sie, wenn sie notwendig sind“, meinte dieser.

Von der Vorgangsweise der Regierung zeigte sich Katzian „einigermaßen geschockt“, habe man den überraschenden Beschluss doch ins Erwachsenenschutzgesetz hineingeschoben, als wolle man „die Selbstverwaltung besachwalten“. Der ÖGB-Chef warnte die Regierung vor einer Politik, die das Land in eine Konfliktkultur führe. „Wir scheuen sie nicht. Aber ich bin sicher nicht der, der die Sozialpartnerschaft zu Grabe trägt“, sagte Katzian.

„Wir kennen die handelnden Personen“

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer reagierte umgehend: In einer Aussendung sprach er von einer „Achse der Blockierer und Systembewahrer“. Kammerfunktionäre würden sich „weiter im Hinterzimmer etwas auspackeln wollen, egal wer gewählt wurde“. Unberücksichtigt ließ er, dass die Kritik am Umgang der türkis-blauen Regierung mit der Selbstverwaltung der Kassen auch aus den eigenen Reihen kommt: Hauptverbandschef Biach ist nebenbei ÖVP-Bezirksparteichef von Wien-Margareten.

Nehammer konstatierte jedenfalls, dass zur Rettung der eigenen Macht Patienten und Arbeitnehmer verunsichert würden. „Wir kennen die handelnden Personen mittlerweile ganz gut, deshalb überrascht die Vorgangsweise nicht“, meinte er. Die bewusste Verunsicherung der Patienten sei aus Sicht der Volkspartei völlig fehl am Platz.

Hartinger-Klein: Keine Versorgungsengpässe

Auch Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) erblickte eine „unbegründete Panikmache“. Sie unterstrich die Notwendigkeit, bei der Systemreform für die Sozialversicherungen auch Übergangsregelungen zu treffen: „Wir müssen rechtzeitig vorbauen, damit das aufgeblähte System nicht noch größer wird, und setzen alles daran, dass nicht weitere große finanzielle Nachteile für die Versicherten entstehen. Das geht nur, wenn wir eine Frist setzen für Vertragsverlängerungen.“

Ab Anfang 2019 werden daher laut der Ministerin Übergangsgremien eingerichtet, die über die zukünftige Struktur und die notwendigen Verträge entscheiden werden: „Bis dahin dürfen Vertragsabschlüsse und Verlängerungen von Verträgen auf Führungsebene nur noch befristet bis 31.12.2019 abgeschlossen werden.“ Versorgungsengpässe oder Leistungskürzungen für die Patienten schloss sie aus.

Kein Bundesrat-Einspruch

Der Bundesrat hat gegen die vom Nationalrat beschlossene Kostenbremse für Sozialversicherungsträger keinen Einspruch erhoben. In der namentlichen Abstimmung stimmten 36 Bundesräte gegen und 22 Bundesräte für ein Veto, teilte die Parlamentskorrespondenz am Donnerstagabend mit. Die SPÖ überlegt, die Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Das bekräftigte SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach.

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sah einer Verfassungsklage „gelassen entgegen“, ihrer Überzeugung nach ist das Gesetz verfassungskonform.