Arzneimittelagentur (EMA) der EU geht an Amsterdam

Zwei Nachbarländer Großbritanniens machen das Rennen um die Brexit-Trophäen. Österreich bleibt chancenlos, Italien ist empört

Wien ging um die Bewerbung der Arzneimittelbehörde mit 900 Mitarbeitern leer aus. Kein anderes Land stimmte für Österreich @ANÖ/Archiv
Wien ging um die Bewerbung der Arzneimittelbehörde EMA mit 900 Mitarbeitern leer aus. Kein anderes Land stimmte für Österreich @ANÖ/Archiv

Brüssel/Wien – Nicht, dass Wien zum Favoritenkreis gezählt hätte, aber die Montagabend erlittene Schlappe war dann doch überraschend. Die Hauptstadt schied im Rennen um die Verlegung der in London angesiedelten Agenturen für Arzneimittel und Bankenaufsicht schon in der ersten Runde aus. Laut Insidern hatte kein einziges Land die österreichische Metropole favorisiert. Nur einer stimmte für Wien: Hans Jörg Schelling. Der Finanzminister war in Vertretung von Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) zum Ratstreffen nach Brüssel gereist. Während Österreich von vornherein auf verlorenem Posten um die prestigeträchtige und mit fast 900 Mitarbeitern deutlich bedeutsamere Arzneimittelbehörde EMA kämpfte, hatten Insider bei der Bankenaufsicht EBA zumindest auf Außenseiterchancen gehofft. Um die EBA hatten mit acht Städten auch deutlich weniger Standorte geboten als um die EMA . Außerdem hatten die Mitarbeiter der Bankenaufsicht Präferenzen für Wien erkennen lassen – was aber bedeutungslos war. Letztlich lag es an den mangelnden Verbündeten, handelte es sich doch mehr um eine politische als um eine fachliche Entscheidung. „Wir hätten uns das anders vorgestellt“, kommentierte Schelling die Abstimmung. Davor war es zu einem regelrechten Basar gekommen. Nach der ersten Runde lagen bei der EMA Kopenhagen, Amsterdam und Mailand vorne. In der zweiten Abstimmung fiel Kopenhagen weg. In der dritten Runde herrschte Gleichstand, sodass das Los den Ausschlag für die holländische Metropole gab. In den beiden Abstimmungen davor war Mailand noch vorne gelegen, allerdings nicht mit ausreichendem Vorsprung. Die Befürworter Kopenhagens haben sich offenbar auf die Seite Amsterdams geschlagen.

Zweimal entschied das Los

Ganz ähnlich war die Entwicklung bei der EBA, bei der erst Dublin, Frankfurt und Paris vorne lagen und auch in diesem Rennen nach Gleichstand zwischen der irischen und der französischen Hauptstadt die Kugel Paris den Vorzug gab. Offenbar sollte das deutsche Finanzzentrum, das auch die Europäische Zentralbank beheimatet, nicht weiter aufgewertet werden. Ob das politische Patt in Berlin Frankfurts Chancen verminderten, ließ sich Montagabend kaum abschätzen. Jedenfalls hat Paris nicht nur touristisch einiges zu bieten. Die französische Hauptstadt zählt wie Frankfurt zu den bedeutendsten Finanzzentren am Kontinent und beherbergt überdies die Wertpapieraufsicht ESMA. Deutschland hatte mit der Idee angeeckt, die EBA mit der bereits in Frankfurt ansässigen Versicherungsaufsicht zu fusionieren. Die EBA ist mit rund 170 Mitarbeitern nicht nur viel kleiner als die EMA, sie hat auch nicht das Alleinstellungsmerkmal der Arzneimittelagentur. Grund ist die Dominanz der Europäischen Zentralbank in Aufsichts- und Regulierungsfragen. Überdies schwächt die Zersplitterung in Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht die einzelnen Finanzbehörden. Die künftig in den Niederlanden ansässige EMA überwacht die Zulassung von Medikamenten für Menschen und Tiere. Die große Zahl an Konferenzen und Hotelnächtigungen macht die Ansiedelung der Behörde besonders attraktiv. Über Umwegeffekte hatte das IHS 9.000 Jobs kalkuliert, die bei einem Zuschlag an Wien entstehen würden.