Freiheitsstrafen für Organschmuggler bestätigt

Ein Gericht in Pristina hat die hohen Gefängnisstrafen für drei Ärzte, die illegal Nieren verpflanzten, bestätigt. Offen bleibt, ob es Verbindungen zum angeblichen Organraub der UCK gibt.

Freiheitsstrafen für Organschmuggler in Kosovo bestätigt.
Freiheitsstrafen für Organschmuggler in Kosovo bestätigt.

(ANÖ/NZZ). Als Ylmaz Altin, ein junger Türke, im Flughafen Pristina zusammenbrach und, grau im Gesicht, dem Notfallarzt sagte, man habe ihm eine Niere entnommen, reagierte die Polizei schnell. Eine Stunde später war die private Medicus-Klinik abgeriegelt und wurde von Beamten durchsucht. Doch jemand muss die Belegschaft gewarnt haben. Die Beamten fanden zwar die Akten von Altin, aber Yusuf Sonmez, der türkische Chefoperateur, war verschwunden. Und mit ihm ganze Bündel von belastenden Unterlagen. Das war im Jahr 2008.

Der Klinikbesitzer und und Urologe Lutfi Dervishi, sein Sohn Arban und der Chefanästhesist Sokol Hajdiri wurden verhaftet. 2013 wurden sie zu acht beziehungsweise sieben und drei Jahren Gefängnis verurteilt. Dazu kamen hohe Buss- und Entschädigungszahlungen. Deren Rechtmässigkeit hat am Donnerstag ein Appellationsgericht in Pristina bestätigt. Dagegen wurden zwei Assistenzärzte freigesprochen. Das Richter-Gremium setzte sich aus einem Kosovaren und zwei Beamten der EU-Rechtsstaatsmission zusammen.

Dreissig illegale Transplantationen

Der flüchtige Chefchirurg Sonmez war laut Medien Anfang 2012 in Istanbul verhaftet, aber auf Kaution wieder freigelassen worden. Weiterhin zur Fahndung ausgeschrieben ist der Israeli Moshe Harel, der die kaufmännische und organisatorische Seite des illegalen Transplantationsgeschäfts betreute. Harel war 2008 in Pristina verhaftet worden. Nach dreissig Tagen Untersuchungshaft liess ihn ein Richter der Uno-Mission wieder laufen. Wenig überraschend ignorierte er die Auflage, sich dem Gericht während der Verhandlungen zur Verfügung zu stellen. Harel hatte in der Türkei, Russland, der Moldau und Kasachstan arme, aber gesunde Personen beiderlei Geschlechts rekrutiert und ihnen 15 000 Euro für eine Niere angeboten. Als Drehkreuz diente dem Logistiker Istanbul. Dorthin bestellte er «Spender» und Empfänger und organisierte ihren Flug nach Pristina. In der Medicus-Klinik wurden die Nieren herausoperiert und den Empfängern – meist nierenkranken Israeli – sogleich für 70 000 Euro eingepflanzt. 2008 sollen mindestens dreissig illegale Transplantationen in der Medicus-Klinik durchgeführt worden sein. Sieben davon konnten den kosovarischen Ärzten nachgewiesen werden. Wie viel Geld den «Spendern» für ihre Nieren wirklich bezahlt wurde, ist unklar. Laut Staatsanwaltschaft führte die Organentnahme bei vielen Opfern zu schweren Behinderungen, bei manchen zum frühzeitigen Tod.

Vorwürfe werden untersucht

Eine politische Note erhielt der Fall durch Alt-Ständerat Dick Marty, der im Auftrag des Europarats 2010 einen Bericht veröffentlichte. Darin wirft er einer Gruppe innerhalb der kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) vor, während des Krieges im Jahr 1999 Gefangene ermordet, ihnen Organe entnommen und diese über Schmugglerringe verkauft zu haben. Als Kopf der Gruppe nennt er den damaligen Politchef der UCK, den heutigen Präsidenten Kosovos, Hashim Thaci. Der Fall Medicus, so Marty, zeige die Kontinuität dieser verbrecherischen Netzwerke. Als Verbindungsmann zwischen der gewaltsamen Organentnahme und dem Transplantationsgeschäft erscheint im Bericht Shaip Muja. Der Kardiologe, der den Sanitätsdienst der UCK organisierte, war später Thacis Berater für Gesundheitsfragen und ein einflussreicher Parlamentarier. Er soll sich beim damaligen Gesundheitsminister für die Lizenzierung der Medicus-Klinik eingesetzt haben.

Der Staatsanwalt der EU-Rechtsstaatsmission, der den Fall Medicus untersuchte, erklärte in einem Interview, er habe keine Hinweise gefunden, welche die Kontinuitätsthese von Marty bestätigten. Im Herbst soll nun ein Spezialgericht in den Niederlanden diesen Vorwürfen auf den Grund gehen.