Masernviren schwächen Immunsystem jahrelang

Eine Studie zeigte, dass eine „natürliche“ Masernerkrankung die Immunabwehr langfristig schwächt und zu erhöhter Mortalität führt

Interessant sei auch gewesen, dass die Einführung der Masernimpfung nicht nur zu einem massiven Rückgang dieser Krankheitsfälle führte, sondern auch einen signifikanten Rückgang der Sterblichkeit durch nachfolgende Infektionen bewirkt
Interessant sei auch gewesen, dass die Einführung der Masernimpfung nicht nur zu einem massiven Rückgang dieser Krankheitsfälle führte, sondern auch einen signifikanten Rückgang der Sterblichkeit durch nachfolgende Infektionen bewirkt

(ANÖ/APA). Wien – Masernviren schwächen das Immunsystem der Betroffenen jahrelang und führen zu einem erhöhten Sterberisiko durch andere Infektionen. Das ist das Ergebnis einer vor kurzem in „Science“ veröffentlichten Studie, auf die sich am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Österreichischen Impftag am 16. Jänner auch der Impfreferent der Ärztekammer, Rudolf Schmitzberger, bezog. Das räume mit der von Impfgegnern genannten These auf, dass eine „natürliche“ Maserninfektion die Abwehrkräfte steigere, sagte Schmitzberger. Von der in Fachkreisen Aufsehen erregenden Untersuchung hatten im November bereits die Wiener Experten Lukas Weseslindtner und Heidemarie Holzmann von der Med-Uni Wien berichtet. „Nun liegen stichhaltige wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die eindeutig das Gegenteil beweisen und zeigen, dass Masern eine mehrere Jahre anhaltende Schwächung des Immunsystems bewirken, wodurch es bei Betroffenen sogar zur erhöhten Sterblichkeit aufgrund von anderen Infektionskrankheiten kommt“, schreiben die Experten vom Department für Virologie in Wien.

Viren dringen vor allem in Gedächtniszellen ein

Ein Argument, das Impfgegner häufig anführen, um den Nutzen der Masernimpfung infrage zu stellen, sei bekanntermaßen, dass ein „natürliches“ Durchmachen von Masern das Immunsystem „stärkt“. Der Studie zufolge sei aber das Gegenteil der Fall. Bei der Entwicklung der Krankheit spiele das Immunsystem eine wichtige Rolle. „Zum einen sind bestimmte Zellen des Immunsystems wie Dendritische Zellen, T- und B-Lymphozyten selbst Zielzellen für das Virus, wodurch es in der Frühphase der Infektion zum Verlust dieser Zellen und dadurch zur Leukopenie (Verlust der weißen Blutkörperchen, Anm.) kommt“, betonen die Virologen. Neuere immunologische Untersuchungen, die größtenteils mit Makaken als Versuchstieren durchgeführt wurden, hätten ein differenziertes Bild gezeigt. „Es wurde beobachtet, dass das Masernvirus nicht wahllos Lymphozyten befällt, sondern über einen spezifischen Rezeptor (CD150) vor allem in Gedächtniszellen eindringt. Im Rahmen der Leukopenie gehen also fast ausschließlich Gedächtniszellen verloren, die in vorangegangenen Jahren beim Überwinden verschiedenster anderer Infektionskrankheiten gebildet wurden“, heißt es vonseiten der Forscher.

Sterblichkeit durch andere Infektionen erhöht

Übrig blieben nur Masernvirus-spezifische Gedächtniszellen. Das bedeute zwar eine lebenslange Immunität gegen die Masern, allerdings komme es in unmittelbarer Folge zu einer erhöhten Anfälligkeit für andere Erreger. Wissenschafter hätten nun in einer aufwendigen statistischen Analyse die in England, den USA und Dänemark aufgezeichneten Fallzahlen von Masern seit der Vorimpfära über den Zeitpunkt der Einführung der Masernimpfung bis zum Erreichen hoher Durchimpfungsraten (von den 1950er-Jahren bis zur Gegenwart) mit der Sterblichkeitsrate bei anderen Infektionskrankheiten ausgewertet. „Dabei zeigte sich eindeutig, dass es einen Zusammenhang zwischen der Maserninzidenz (Häufigkeit, Anm.) und der Mortalität durch andere, den Masern zeitlich nachfolgende Infektionskrankheiten gab. War beispielsweise die Inzidenz von Masern in bestimmten Jahren besonders hoch, war in der Folge auch die Sterblichkeit durch Infektionen mit anderen Erregern erhöht“, erklären die Wiener Virologen.

Immunsystem für zwei, drei Jahre geschwächt

Interessant sei auch gewesen, dass die Einführung der Masernimpfung nicht nur zu einem massiven Rückgang dieser Krankheitsfälle führte, sondern auch einen signifikanten Rückgang der Sterblichkeit durch nachfolgende Infektionen bewirkte. „Dass dieser Abfall spezifisch mit dem Einführen der Masernimpfung zu tun hatte und nicht zufällig auftrat, konnte unter anderem dadurch bewiesen werden, dass zur Kontrolle analog die Auswirkung der Keuchhustenimpfung auf die Mortalität von Infektionskrankheiten untersucht wurde – hier zeigte sich allerdings keinerlei Effekt.“ Analog zu den Ergebnissen bei den Tierversuchen habe man für Menschen auch indirekt evaluieren können, wie lange Masern den Gedächtniszellpool beeinträchtigen. „Dabei zeigten sich erstaunliche Ergebnisse: Das Risiko, an anderen Infektionskrankheiten zu sterben, war nicht nur für kurze Zeit gesteigert, es war während eines Zeitraums von zwei bis drei Jahren nach Durchmachen der Masern signifikant erhöht“, heißt es in der Studie. 20 Prozent der Masernpatienten müssen wegen Komplikationen ins Krankenhaus. Laut der Weltgesundheitsorganisation verursachen Masern in allen Altersgruppen weltweit noch immer 130.000 bis 160.000 Todesfälle pro Jahr.