Duisburger Moschee wirbt für Organspenden: „Leben aller Menschen ist gleichwertig“

In Duisburg-Marxloh gibt es eine der größten Moscheen Deutschlands. Und dort soll heute nach dem Freitagsgebet bei der Gemeinde zum ersten Mal im großen Stil für Organspenden geworben werden. Für die Marxloher Moscheegemeinde ist das Thema neu.

Organspende ist ein schwieriges Thema innerhalb des Islams. In Österreich gbt es aus dieser Bevölkerungsgruppe kaum Spender, aber Empfänger!
Organspende ist ein schwieriges Thema innerhalb des Islams. In Österreich gbt es aus dieser Bevölkerungsgruppe kaum Spender, aber Empfänger!

(ANÖ/WDR). Seit zwei Jahren versucht die Stadt mit der Aktion „Duisburg entscheidet sich“ auf das Thema „Organspenden“ aufmerksam zu machen. Erstmals wendet sie sich damit nun direkt an die große muslimische Gemeinde. Allein im Stadtteil Marxloh kommen mehr als 60 Prozent der Menschen aus einer Zuwandererfamilie, viele darunter sind Muslime.

Organspenden mit dem Islam vereinbar

Für die Marxloher Moscheegemeinde ist das Thema neu. Blutspende-Aktionen gab es zwar schon viele. Aber das schwierige Feld Organspende blieb bislang außen vor. Widerstand von den Gläubigen gab es im Vorfeld aber nicht. Schließlich hatte der Zentralrat der Muslime in Deutschland schon 1997 festgestellt, dass Organspenden mit dem Islam vereinbar seien. So sieht es auch der Imam der Moschee, Ibrahim Sarilarli. „Der Islam hat das Motto, dass das Leben aller Menschen gleichwertig ist“, sagt er.

Stichwort: Organspende im Islam

    Das Thema Organspende ist im Islam mitunter heikel, es gibt religiöse Vorbehalte. Zur Organspende gibt es keinen Text im Koran. Kritiker der Organspende beziehen sich jedoch auf Koranverse und betonen das Grundprinzip der Unversehrtheit des menschlichen Körpers, der Körper müsse auch nach dem Tod beschützt werden. Außerdem sei der Mensch nicht Eigentümer des eigenen Körpers und könne daher nicht etwas spenden, das er nicht besitzt.

    Die Organspende ist in islamischen Ländern nicht verboten, sie wird durchaus praktiziert. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat 1997 in einer Stellungnahme gesagt, dass Organspenden mit dem Islam vereinbar sind. Hintergrund ist, dass „die gottfällige Haltung, ein Menschenleben zu retten, oberste Priorität hat“.

Die Aktion wird wohl viele Menschen erreichen. Denn zum Freitagsgebet kommen regelmäßig 1.000 Menschen und mehr in die Moschee. Besucherzahlen, von denen die benachbarte katholische Kirche nur träumen kann. Nach dem Gebet können die Gläubigen sich an Infoständen aufklären lassen. Krankenkassen und Betroffene stehen für Gespräche bereit.

Betroffene wollen berichten

Auch Bernd Haack und seine Frau wollen kommen. Vor einigen Jahren brauchte sie wegen einer Krankheit ein neues Herz. „Sie hatte eine Lebenserwartung von sechs bis neun Monaten“, erzählt Haack. Sie hatte Glück, bekam ein Spenderorgan und konnte weiterleben. Seitdem engagiert sich Haack im Bundesverband der Organtransplantierten. Heute Nachmittag nach dem Freitagsgebet wollen beide ihre Geschichte erzählen.

10.000 Menschen warten auf ein Organ

Auch wenn ein „Nein“ respektiert wird, freut sich Haack über jeden, der einer Organspende zustimmt. Aber er weiß, dass es Ängste davor gibt. Diese abzubauen, ist auch das Ziel der Aktion in der Moschee in Duisburg-Marxloh. Immerhin warten in Deutschland nach Expertenschätzung mehr als 10.000 schwer kranke Menschen auf ein Spenderorgan. „In Duisburg sind es 70 bis 80“, sagt Gesundheitsdezernent Ralf Krumpholz. Zur Verfügung stünde nur ungefähr die Hälfte.
Die Organspende-Aktion zeigt vielleicht auch: Sieben Jahre nach ihrer Eröffnung hat die große Merkez-Moschee mitten im Duisburger Brennpunkt-Stadtteil ihre Rolle als Akteur der Stadtgesellschaft angenommen. Die Errichtung der Moschee war 2008 bundesweit als „Wunder von Marxloh“ betitelt worden – weil es gegen den Bau so gut wie keinen Widerstand in der Bevölkerung gab.

>>Nachlese: Interview mit Univ. Prof. Dr. Raimund Margreiter in den „Salzburger Nachrichten“ zu diesem Thema