Finanzminister Schelling wollte den Österreichern bei seiner ersten Budgetrede „reinen Wein einschenken“. Er verlangte Einschnitte im Pensionsbereich und sicherte eine Lohnnebenkosten-Senkung zu.

(ANÖ/ES). Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat heute im Nationalrat seine erste Budgetrede gehalten. Bevor er das Wort ergriff, eröffnete Nationalratspräsidentin Doris Bures die Sitzung im Parlament, an der auch Bundespräsident Heinz Fischer teilnahm. Schelling begrüßte sodann die Österreicher und entschuldigte sich dafür bei Fischer und Bures: „Ich darf um Nachsicht ersuchen, dass ich zuerst die Österreicherinnen und Österreicher begrüßt habe, denn sie sind die Quelle des Geldes“, erklärte er sich. Er habe vor 408 Tagen sein Amt in der Bundesregierung angetreten und „natürlich ist mir schnell klar geworden, dass das keine leichte Aufgabe ist“.
Das liege nicht nur an der Wirtschaftskrise, deren Folgen noch nicht ausgestanden seien, und der Causa Hypo Alpe Adria, wegen der man „für die Zukunft weniger Geld zur Verfügung haben“, sondern auch daran, dass „nach wie vor nicht alle die Zeichen der Zeit erkannt haben“, so Schelling – auch einige Politiker würden sich „hinter der Wahrheit verstecken“. Auf einen Zwischenruf von Team-Stronach-Klubchef Robert Luger, konterte er: „Ich weiß nicht, woher Sie kommen, aber ich bin Vorarlberger und daher vor dem Berg.“ Konkret: Die Wahrheit sei den Menschen zumutbar, zitierte er die Autorin Ingeborg Bachmann. Er wolle Österreich zurück in die Champions League holen – „mit der Regionalliga Ost sollten wir uns nicht zufrieden geben“. Dafür müsse man den Bürgern „reinen Wein einschenken“.
Damit begann er sodann: „Die Eckpunkte sind mit rund 72 Milliarden Einzahlungen und rund 77 Milliarden Ausgaben festgeschrieben“, sagte der Ressortchef. Das heurige Budget wird um rund 500 Millionen Euro korrigiert werden – bei der Bildung sowie im Innenressort sind Lücken von 300 bzw. 200 Millionen Euro zu stopfen. Trotzdem will der Ressortchef auch 2016 das strukturelle Nulldefizit halten – „zum dritten Mal in Folge nach 2014 und 2015“.
Begonnen, die „Bürokratielawine“ zu entflechten
Konkret soll 2016 ein (um Einmaleffekte und Konjunkturschwankungen bereinigtes) strukturelles Defizit von 0,54 Prozent des Bruttoinlandproduktes erreicht werden – trotz der ab kommendem Jahr schlagend werdenden Steuerreform. Diese macht mit 5,2 Milliarden Euro, den „größten Brocken des Budgets“ aus. Schelling verteidigte sie sogleich: „Mit ihr haben wir begonnen, die Bürokratielawine zu entflechten. Beispiel Antragslose Familienbeihilfe.“ Soll heißen: „80.000 Kinder pro Jahr werden jetzt in ein weniger bürokratisches Österreich hineingeboren.“
Gegenfinanziert werden soll die Steuerreform bekanntlich zum Teil über eine Verwaltungsreform. Eine „Verwaltungs-Kostenbremse“ soll 2016 Einsparungen in Höhe von 500 Millionen Euro bringen, erwartet Schelling. Erreicht werden soll dies etwa über Nicht-Nachbesetzungen im Öffentlichen Dienst, auch bei den Lohnerhöhungen will der Minister auf die Bremse steigen. Außerdem sollen bei Förderungen quer über alle Ressorts 200 Millionen eingespart werden.
„Nicht nur bis zur nächsten Wahl denken“
Weiters kündigte Schelling für 2017 eine Senkung der Lohnnebenkosten im Ausmaß von 1, 3 Milliarden Euro an. Konkrete Änderungen bei den Ausgaben sind laut Schelling 497,7 Millionen Euro mehr für den Bereich Inneres, rund 72 Millionen für ein Sicherheitspaket. 428 Millionen Euro sollen in den Bereich Äußeres fließen, das Bundesheer wird 96 Millionen Euro für Sonderinvestitionen erhalten. In den Bildungsbereich sollen 106,4 Millionen Euro mehr fließen, als es 2015 der Fall war. Weitere Summen: 15,5 Millionen Euro für das Kulturressort, 2,1 Milliarden Euro für die Landwirtschaft, 340 Millionen Euro gibt es für die Pensionen. Hier fügte Schelling hinzu: „Wir müssen bei den Pensionen langfristig denken und nicht nur bis zum nächsten Wahltermin.“
1 Milliarde für Asylsuchende budgetiert
Österreich habe eine „lange Tradition, wenn es um humanitäre Hilfe geht“, leitete Schelling das Thema Asyl und die damit zusammenhängenden Kosten ein. Wie bereits bekannt ist hierfür knapp eine Milliarde Euro budgetiert: 420 Millionen Euro für die Grundversorgung, 75 Millionen für Integrationsmaßnahmen, 70 Millionen Euro sollen im Arbeitsmarktbudget umgeschichtet werden.
„Uns darf nicht die Puste ausgehen“, plädierte der Finanzminister dafür, weitere Reformen anzugehen. „Nehmen wir uns vor, dass bis Ende 2016 die Hälfte der Vorschläge des Rechnungshofes umgesetzt ist“, schlug er vor. Er, Schelling, werde jedenfalls nicht locker lassen. Dann schloss er seine erste Budgetrede mit den Worten: „Ich bin dabei, wenn wir Österreich wieder an die Spitze bringen, nehmen Sie mich beim Wort.“
Opposition von „inhaltsleerer“ Rede enttäuscht
Analyse – Budget: Asylkosten sind höher als angenommen
von Christian Höller (Die Presse) Die Spekulationen über die Ausgaben für die Flüchtlingskrise reißen nicht ab. „Die Presse“ hat dazu die Experten des Münchner Ifo-Instituts befragt. Diese kommen auf höhere Beträge als die Regierung. Wien. Seit Wochen wird darüber spekuliert, wie hoch die Flüchtlingskrise den Steuerzahler belasten wird. Der ORF berichtete am gestrigen Mittwoch von einem Geheimpapier der Regierung, wonach sich die Zusatzkosten bis 2019 auf 6,5 Milliarden Euro belaufen werden. Inklusive Familiennachzug könnten es sogar 12,3 Milliarden Euro sein. Kurz danach erfolgte ein Dementi des Finanzministeriums. Das kolportierte Papier und die Summen seien nicht bekannt, heißt es. Die Regierung hält weiterhin an den Zahlen, die Mitte September beim Flüchtlingsgipfel präsentiert wurden, fest. Demnach liegen 2016 die zusätzlichen Ausgaben für die Grundversorgung bei 420 Millionen Euro. Hinzu kommen ein im Finanzministerium angesiedelter „Topf Integration“ in der Höhe von 75 Millionen Euro. Weiters gibt es 70 Millionen Euro für die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Das ergibt in Summe für 2016 ein Volumen von 565 Millionen Euro. Was stimmt nun? Die Opposition vermutet, dass die Regierung die Schätzungen vor den Wiener Wahlen niedrig hält – aus Angst vor einem weiteren Wahlsieg der Freiheitlichen. „Die Presse“ hat daher die Experten des Münchner Ifo-Instituts befragt. Das Institut publizierte jüngst eine Studie, wonach Deutschland durch den Flüchtlingsstrom in den ersten zwölf Monaten zusätzliche Kosten von zehn Milliarden Euro entstehen. Die Ifo-Experten Michele Battisti und Gabriel Felbermayr haben für die „Presse“ die ungefähren Kosten für Österreich berechnet. Laut Innenministerium werden heuer 80.000 Asylwerber in Österreich bleiben. Vermutlich könnten es sogar 85.000 bis 90.000 werden, doch das weiß keiner genau. Die Kosten für die Grundversorgung (Unterkunft und Nahrung) belaufen sich bislang auf 19 Euro pro Tag. Ab Anfang Oktober wird der Betrag auf 20,5 Euro erhöht. Hinzu kommen 40 Euro pro Person und Monat für persönliche Ausgaben. Beim bisherigen Kostensatz von 19 Euro ergeben sich so rund 610 Euro pro Person und Monat. „Mit Blick auf die 80.000 erwarteten Flüchtlinge ergäben sich etwa 580 Millionen Euro Gesamtkosten für 2015“, sagt Battisti vom Ifo-Institut. Doch die tatsächlichen Kosten dürften höher liegen. Denn in der Grundversorgung seien weder Bildungsausgaben noch Gesundheitsausgaben im Krankheitsfall oder indirekte Kosten durch Inanspruchnahme öffentlicher Güter (insbesondere der Schulen) durch die Asylbewerber berücksichtigt. Für Deutschland geht das Ifo-Institut von tatsächlichen Kosten von 1000 Euro pro Person und Monat aus. Da in Österreich die Zahlungen für persönliche Ausgaben der Asylwerber geringer sind als in Deutschland, sollten auch die monatlichen Kosten etwas niedriger ausfallen. „Geht man also von einem Betrag von etwa 800 bis 1000 Euro Kosten pro Asylbewerber und Monat aus, liegen die Gesamtkosten zwischen 770 und 960 Millionen Euro für 2015“, sagt Ifo-Experte Battisti. Dazu ein wichtiger Einschub: Nicht alle Flüchtlinge sind zu Jahresbeginn angekommen, der große Zustrom setzte erst zu Beginn des Sommers ein. Daher sind auch die Kosten für das Gesamtjahr niedriger. Spitzt sich aber die Lage in Syrien und anderen Krisenregionen weiter zu, könnten 2016 laut inoffiziellen Regierungsschätzungen bis zu 130.000 Flüchtlinge nach Österreich kommen. Bei Monatskosten zwischen 800 und 1000 Euro pro Flüchtling ergibt sich für 2016 ein Betrag zwischen 1,248 Milliarden Euro und 1,56 Milliarden Euro. Das ist deutlich mehr als die Regierung annimmt. In den Berechnungen ist außerdem ein möglicher Familiennachzug nicht berücksichtigt. Die Ausgaben können weiter steigen, sobald jemand einen positiven Asylbescheid hat. Zwar können Flüchtlinge dann arbeiten. Da aber wegen der hohen Arbeitslosigkeit nur wenige schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können, steht Flüchtlingen die bedarfsorientierte Mindestsicherung zu. Diese macht derzeit bei allein stehenden Personen 827 Euro im Monat aus, bei Paaren sind es 1241,74 Euro im Monat. Zuletzt erhielten 11.000 Flüchtlinge die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Dieser Anteil dürfte steigen, da vor allem Syrer relativ rasch einen positiven Asylbescheid erhalten. |