Krebstherapie: Einfache „Träume“ ausgeträumt

Die Wirkung und Wirksamkeit von Therapiekonzepten wird noch zu wenig verstanden, sagt der Wiener Onkologe Christoph Zielinski

Wir brauchen nicht einmal mehr eine Kombinationstherapie mit Zytostatika. Doch bei anderen bösartigen Erkrankungen ist das wiederum anders. Und wir wissen auch nicht so recht, warum das so ist", sagt Zielinski
Wir brauchen nicht einmal mehr eine Kombinationstherapie mit Zytostatika. Doch bei anderen bösartigen Erkrankungen ist das wiederum anders. Und wir wissen auch nicht so recht, warum das so ist“, sagt Zielinski

(ES/APA). Wien – Der Traum von einer Onkologie, welche Patienten mit Tumorerkrankungen mit Medikamenten behandelt, die ganz gezielt einzelne Strukturen oder Signalwege lahmlegt, die für das Überleben von Krebszellen wichtig sind, muss ausführlicher als bisher untersucht werden: „Bei manchen Krebserkrankungen geht das sehr gut, bei anderen schlechter“, betont der Wiener Onkologe Christoph Zielinski.

Da Tumoren verschiedener Organe – zum Beispiel Lungenkarzinome und maligne Melanome – über die Gewebegrenzen hinweg ähnliche Charakteristika und somit ähnliche potenzielle Ziele für solche Medikamente aufweisen, dachte man, zielgerichtete Medikamente müssten dann bei Tumoren mit identen Merkmalen gleich wirksam sein. Dieses Idealbild hat sich nicht bewahrheitet. „Bei manchen Tumoren ist das zutreffend, bei anderen wieder nicht. Und wir wissen nicht, warum das so ist“, sagt der Wiener Krebsspezialist.

Neu hinzu gekommen ist in den vergangenen Jahren die sogenannte Immuntherapie gegen Krebs. „Die hat unser Verständnis von diesen Erkrankungen wieder auf den Kopf gestellt. Und wir beschäftigen uns jetzt mit der Frage, welchen Stellenwert die sogenannte zielgerichtete Krebstherapie in Zukunft im Verhältnis zur Immuntherapie haben wird“, so der Experte.

Mögliches „Revival“ alter Chemotherapeutika

Bei der Immuntherapie werden derzeit vor allem monoklonale Antikörper eingesetzt, um den Tumorzellen jene „Tarnkappe“ zu entreißen, mit der sie sich vor dem Angriff des körpereigenen Abwehrsystems schützen. Doch auch hier ist die Situation kompliziert. „Beim Melanom funktioniert das. Wir brauchen nicht einmal mehr eine Kombinationstherapie mit Zytostatika. Doch bei anderen bösartigen Erkrankungen ist das wiederum anders. Und wir wissen auch nicht so recht, warum das so ist“, sagt Zielinski.

Möglicherweise kommt es gar zum „Revival“ der alten Chemotherapeutika, die vor allem so auf Tumorzellen wirken, dass sie Genschäden verursachen und die Zellen dann laut den bisherigen Erklärungsmodellen in den programmierten Zelltod, die Apoptose, treiben.

Es könnte aber auch anders sein. Immer mehr beginnen die Karzinom-Forscher zu erkennen, dass die Wirksamkeit vieler Chemotherapeutika eigentlich auf einem immunmodulierenden Effekt beruht. Die von ihnen verursachten Gen-Mutationen in den Krebszellen könnten so ein Ankerpunkt für den Angriff des Immunsystems sein.

Probleme und Lichtblicke

Die bisherigen Daten weisen darauf hin, dass die Immuntherapie bei Tumorerkrankungen mit monoklonalen Antikörpern wie Ipilimumab, Nivolumab oder Pembrolizumab einen breiteren und länger anhaltenden Effekt bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen haben könnten als die zielgerichtete Therapie. Aber der endgültige Stellenwert dieser oder ähnlicher Behandlungsformen muss erst bestimmt werden.

Bei organspezifischen Krebserkrankungen – also bösartige Tumore etwa im Magen, im Darm oder in der Lunge – gibt es zwar Fortschritte bei einigen Krankheiten, bei anderen herrsche aber noch immer eine Stagnation. „Das Pankreaskarzinom, der Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist weiterhin die größte Herausforderung. Das ist wahrscheinlich so, weil das Verhältnis von Bindegewebs- zu Tumorzellen so hoch ist. Da kommt es zu einer großen Interaktion, was den Angriff auf die Tumorzellen so schwierig macht“, erklärt Zielinski.

Dem Experten zufolge gibt es aber auch Lichtblicke in der Krebstherapie zu verzeichnen: „Beim Nierenzell-, Lungen- sowie Prostatakarzinom, aber auch beim Melanom verzeichnen wir derzeit Fortschritte.“ Es gebe hier Chancen, auf jenen Stand zu kommen, der bei der häufigsten Krebserkrankung der Frauen, dem Mammakarzinom, mittlerweile erreicht worden ist. Selbst ein hoher Anteil von fortgeschrittenen Brustkrebserkrankungen kann über lange Zeit und unter guter Lebensqualität der Betroffenen behandelt werden.