Genom-„Handbuch“ zur Erforschung der Veranlagung für Krankheiten

Erste Resultate von groß angelegter Studie: Daten- und Gewebebank soll für verschiedene Gewebe aufzeigen, welche Gene dort jeweils aktiv sind

(ES/APA). Genf – Auch 14 Jahre nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms rätseln Forschende, wie genetische Variationen das Risiko für bestimmte Krankheiten beeinflussen. Nun liegen die ersten Resultate einer groß angelegten Studie dazu vor.

2001 schrieb das „Human Genome Project“, das erstmals die gesamte menschliche Erbgutsequenz offenlegte, Wissenschaftsgeschichte. Doch seither mussten die Forschenden frustriert feststellen, dass 80 Prozent der Risikofaktoren für Krankheiten außerhalb der Gene – die den Code für bestimmte Proteine tragen – zu finden sind.

Das Geheimnis scheint weniger in der „Buchstabenfolge“ der Gene als vielmehr in ihrer Expression, dem „Abschreiben“ des genetischen Codes in Proteine, zu liegen. Seit 2010 läuft unter Co-Leitung der Universität Genf ein beinahe ebenso ehrgeiziges internationales Forschungsprojekt namens GTEx (für Genotype-Tissue Expression).

Ziel ist es, eine Daten- und Gewebebank zu erstellen, die für verschiedene Gewebe aufzeigt, welche Gene dort jeweils aktiv sind. Dazu werden sowohl die Erbinformation DNA als auch deren „Abschreibeprodukt“ RNA erfasst. Die ersten Resultate, die mehr als 43 Gewebetypen von 175 verstorbenen Personen und insgesamt 1.600 Proben umfassen, werden nun im Fachjournal „Science“ vorgestellt.

Proben von 900 Menschen angepeilt

„Je mehr Proben gesammelt werden, desto besser können Wissenschafter die Effekte der Gene und ihrer Expression verstehen, respektive welche Gewebe zu bestimmten Krankheiten beitragen“, schrieb die Universität Genf am Donnerstag in einer Mitteilung. Angepeilt werden bis zum Schluss Proben von 900 Menschen.

Das US-National Institute of Health (NIH) finanziert das Projekt mit 100 Millionen Dollar. Die Co-Leitung haben Emmanouil Dermitzakis, Genetiker an der Universität Genf, und das Schweizer Institut für Bioinformatik inne.

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass in Geweben vorwiegend einige wenige Gene exprimiert werden, und zwar jeweils andere in unterschiedlichen Geweben. Aber auch die gleichen Gene können, wenn sie in verschiedenen Körperteilen aktiv sind, dort abweichende Wirkungen haben.

Blaupause für Proteine

Damit wird allmählich klarer, inwiefern sich zum Beispiel Nieren- von Leberzellen unterscheiden, obwohl die Erbsequenz in allen Körperzellen identisch ist. „GTEx wird eine wichtige Ressource sein, um die Biologie von Krankheiten besser zu verstehen“, erklärte Co-Projektleiter Jeff Struewing vom NIH in der Mitteilung.

„Forscher, die etwa Asthma oder Nierenkrebs erforschen, wollen wissen, wie genau die genetischen Variationen in der Lunge oder den Nieren funktionieren“, ergänzte er. Er sieht zahlreiche Anwendungen der GTEx-Daten in der Forschung, aber auch in der Medikamentenentwicklung.

GTEx ist eine von mehreren laufenden Kooperationen, die auf verschiedenen Ebenen eine Art „Handbuch“ für das menschliche Genom erstellen wollen, schreibt „Science“. Denn dieses funktioniert eher wie eine riesige Schaltzentrale als eine simple Blaupause für Proteine.