Das Ausbleiben von notwendigen Reformen macht sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Die Wirtschaft fordert Maßnahmen.

(ES/DP). Wien. Die beiden Meldungen könnten nicht unterschiedlicher sein: Am Montag gab das Sozialministerium bekannt, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich erneut gestiegen ist. Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer kletterte im Februar 2015 auf 466.266 Personen. Das ist im Vergleich zum Februar 2014 ein Plus von 5,8 Prozent. Die nationale Arbeitslosenquote liegt damit bei 10,3 Prozent.
Kurz danach meldete sich am Montag die Europäische Statistikbehörde Eurostat: In der Eurozone ist die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit fast drei Jahren gesunken. Deutliche Verbesserungen gab es in den Krisenländern Spanien und Irland. In der gesamten Eurozone ging die Arbeitslosigkeit im Jänner 2015 auf 11,2Prozent zurück. „Das ist der niedrigste Wert seit April 2012“, heißt es bei Eurostat.
Auch wenn Österreich und Eurostat hier unterschiedliche Berechnungsmethoden verwenden, ist ein klarer Trend erkennbar: Während in Österreich jeden Monat schlechtere Zahlen über den Arbeitsmarkt veröffentlicht werden, haben andere EU-Länder bereits die Trendwende geschafft.
Schuld an der heimischen Entwicklung ist das Ausbleiben von notwendigen Reformen. „Deutschland hat im Zuge der Hartz-Reformen vor rund zehn Jahren wichtige Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt und im Pensionssystem vorgenommen“, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl am Montag. Diese Veränderungen hätten in Deutschland eine spürbare Senkung der Lohnnebenkosten gebracht. „Diesen wichtigen Schritt sollte auch Österreich gehen“, verlangt Leitl.
Ähnlich lautet die Analyse von Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung: „Im internationalen Vergleich sind die Arbeitszusatzkosten im produzierenden Bereich nur in Belgien höher als bei uns. Wir liegen damit mittlerweile sogar schlechter als Frankreich oder Italien.“ Die Steuerreform müsse daher eine eindeutige Entlastung sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmer bringen. Notwendig sei laut Neumayer nicht nur eine Absenkung der Lohnsteuer, sondern auch eine Entlastung bei den Arbeitszusatzkosten. Um den Arbeitsmarkt anzukurbeln, brauche es ein Bündel nachhaltiger, struktureller Maßnahmen: von Steuersenkungen über die Bildungspolitik bis hin zum Pensionssystem.
Wien: Plus von 20,4 Prozent – starker Ansteige bei Ausländern und Behinderten
Besonders stark ist die Arbeitslosigkeit in Österreich bei diesen Gruppen gestiegen: Bei Langzeitarbeitslosen gab es ein Plus von 149,5 Prozent auf 21.870 Personen. Schwierig ist die Lage auch für ausländische Arbeitskräfte: Hier kletterte die Arbeitslosigkeit um 20,5 Prozent auf 105.833 Personen. Bei älteren Menschen ab 50 Jahren verzeichnete man einen Zuwachs von 14,6 Prozent und bei behinderten Personen ein Plus von 15,4 Prozent.
Im Bundesländervergleich gab es den stärksten Anstieg in Wien mit 20,4 Prozent, gefolgt von Salzburg mit 12,4 Prozent. Im Frühjahr und Sommer wird die Arbeitslosigkeit zwar saisonbedingt sinken, was mit dem Bau- und Baunebengewerbe zu tun hat.
Doch im Winter 2016 dürfte die Arbeitslosigkeit einen neuen Höhepunkt erreichen. Inklusive der Schulungsteilnehmer könnten dann knapp unter 500.000 Personen keinen Job haben. Das würde einer Arbeitslosenquote von elf Prozent entsprechen.
Arbeitsmarkt-Öffnung: Mehr Rumänen und Bulgaren als erwartet
Die Zahl der unselbstständig beschäftigten Rumänen und Bulgaren hat sich demnach im Jahresabstand um 38 Prozent auf 40.000 erhöht.
In Folge der Arbeitsmarktöffnung mit 1. Jänner 2014 kamen doppelt so viele Rumänen und Bulgaren auf den österreichischen Arbeitsmarkt als zuvor in einer Studie von WIIW und IHS prognostiziert: Statt der erwarteten 5.500 zusätzlichen Arbeitskräfte aus diesen beiden Ländern waren es 11.000 mehr, wie der „Kurier“ berichtet. Die Zahl der unselbstständig beschäftigten Rumänen und Bulgaren hat sich demnach im Jahresabstand um 11.000 oder 38 Prozent auf knapp 40.000 erhöht, gehe aus jüngsten Zahlen des Hauptverbands hervor. Allein aus Rumänien kamen im Vorjahr 8500 zusätzliche Arbeitskräfte. Nicht mitgerechnet sind hier jene rund 20.000 selbstständigen Pflegerinnen, die in der 24-Stunden-Betreuung in Privathaushalten zum Einsatz kommen.
Der höchste Anteil an Rumänen ist in der Sachgüterproduktion beschäftigt, gefolgt von Tourismus, Leiharbeit, Bau und Landwirtschaft (Erntehelfer).
IHS: Zuzug unterschätzt
IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer gibt im „Kurier“ zu, den Zuzug unterschätzt zu haben: „Die Zahl ist zwar immer noch locker verkraftbar, aber im Nachhinein betrachtet waren die prognostizierten 5500 doch etwas zu niedrig“.
Offenbar gab es aber auch zahlreiche illegale Beschäftigungsverhältnisse, die mit der Freizügigkeit legalisiert wurden. Demgegenüber wächst die Zahl der ungarischen Arbeitskräfte – der Großteil davon Tagespendler – nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren.
Arbeitslosenrate bei 12,4 Prozent
Die Arbeitslosenrate bei Rumänen und Bulgaren liege mit 12,4 Prozent leicht über dem Ausländer-Schnitt. Überdurchschnittlich hoch sei die Arbeitslosigkeit bei türkischen, serbischen und kroatischen Staatsbürgern, während Deutsche und Ungarn sogar unter der Inländer-Quote liegen. Experten sehen einen gewissen Verdrängungseffekt unter Ausländern: Jüngere, gut qualifizierte Zuwanderer ersetzen ältere, schlecht ausgebildete.