Die Phase zwischen Ex- und Implantation eines Organs lässt sich zur Vorbeugung von Schäden nutzen. Neue Verfahren sollen mehr Organe transplantabel machen.

(ES/DÄB). Die Organtransplantation ist eine sichere und oft lebensrettende medizinische Therapieoption bei Organversagen. Fortschritte in Operationstechnik, immunologischem Grundverständnis, bei der Abstoßungsprophylaxe und -therapie und – nicht zuletzt – auch der Organkonservierung haben den Weg für die Langzeiterfolge in der Transplantationsmedizin geebnet. Der Mangel an Spenderorganen aber ist und bleibt ein zentrales Problem. Außerdem führen eine verbesserte Gesundheitsversorgung und die längere Lebenserwartung zu einer deutlichen durchschnittlichen Erhöhung des Alters von Organspendern.
Große Datenbanken wie das Scientific Registry of Transplant Recipients (SRTR) in den USA belegen diese Veränderungen eindrücklich: Während der letzten 20 Jahre stieg der Anteil der Organspender > 50 Jahre über 200 Prozent, im Gegensatz hierzu fiel der Anteil der Organspender < 50 Jahre um 76 Prozent. Konsequenterweise werden zunehmend marginale Organe verpflanzt, früher als „Expanded Criteria Donor“ Organe (ECD) bezeichnet. Diese Definition beruht in erster Linie auf dem erhöhten Alter des Spenders, aber auch auf weiteren Aspekten, die die Funktion im Empfänger beeinflussen können.
Organe älterer Spender sind vulnerabler und immunogener
Organe von älteren Spendern weisen signifikante Besonderheiten hinsichtlich Vulnerabilität und Immunogenität auf, die den Erfolg einer Transplantation gefährden können. Dazu gehören altersbedingt eingeschränkte Reparaturvorgänge, und – damit einhergehend – eine erhöhte Anfälligkeit für sogenannte Ischämie-Reperfusionsschäden, die im Intervall zwischen dem Ende der Durchblutung durch den Spender und dem Wiedereröffnen der Blutgefäße nach Implantation auftreten. Möglicherweise ist auch eine erhöhte Immunogenität älterer Spenderorgane durch zahlreiche molekulare Veränderungen wie eine vermehrte Antigenpräsentation oder eine höhere lokale Apoptoserate damit verbunden. Unseren eigenen Untersuchungen zufolge ist die Rate der akuten Abstoßungen in älteren und geschädigten Transplantaten erhöht .
Es gibt viele Anstrengungen in den letzten Jahren, um die Organqualität zu verbessern. Zu den prinzipiellen Möglichkeiten gehören Organperfusion und -konservierung durch dynamische Flussprinzipien, meist als pulsatile Perfusion. Sie kann zu einer erheblichen Verbesserung der Organqualität beitragen.
Die ersten klinischen Anwendungen der Maschinenperfusion zur Organkonservierung gab es schon vor mehr als 60 Jahren . Trotzdem blieb der Methode aufgrund des damals beträchtlichen Ausmaßes der benötigten Geräte und des damit verbundenen logistischen Aufwands eine breite klinische Anwendung verwehrt. Gleichzeitig kam es zu einer Verbesserung der Perfusionslösungen mit dem Ergebnis einer effektiveren statischen Konservierung und einer Weiterentwicklung der Immunsuppressiva, so dass der isolierte Effekt der kontinuierlichen Organperfusion möglicherweise nicht feststellbar war. Schließlich gab es weitaus mehr Organe von jüngeren Spendern.
Als mögliches Instrument zur schrittweisen Bewältigung des persistierenden Mangels an Spenderorganen und der zunehmenden Alterung des Spenderpools hat die Maschinenperfusion während der letzten Jahre jedoch wieder an Aufmerksamkeit gewonnen. Den aktuell aussagekräftigsten Bericht über Effekt und Nutzen der Maschinenperfusion liefert eine prospektiv randomisierte Multicenterstudie. Mehr als 350 Spendern wurden beide Nieren entnommen und jeweils eine Niere der statischen Kühlung mittels Konservierungslösung zugeteilt, die andere einer hypothermen pulsatilen Maschinenperfusion .
Ergebnisse nach einem Jahr zeigten in Nieren, die nach Maschinenperfusion transplantiert wurden, eine signifikant verbesserte Sofortfunktion und damit eine geringere Rate verzögerter Funktionsaufnahmen bei gleichzeitig signifikant verbessertem Ein-Jahres-Transplantatüberleben (94 versus 90 Prozent). Auch nach drei Jahren bestätigte sich das signifikant verbesserte Transplantatüberleben nach Maschinenperfusion. Ebenso zeigte sich in einer Subgruppenanalyse der marginalen Organe eine noch deutlichere Verbesserung des Transplantatüberlebens nach drei Jahren im Vergleich zur Kontrollgruppe nach statischer Konservierung (86 Prozent versus 76 Prozent).
Verbesserte Ergebnisse im ET-Seniorprogramm
Im Bereich von Eurotransplant (ET) werden zurzeit Organe von Spendern ≥ 65 Jahre bevorzugt an Empfänger ≥ 65 Jahre vermittelt, mit dem Ziel, hierdurch eine bessere Nutzung von älteren Organen bei einer kurzen Ischämiezeit zu erreichen. Eine Studie im Rahmen dieses Seniorprogramms ergab eine deutlich verbesserte sofortige Funktion von Nieren älterer Spender, wenn eine Maschinenperfusion durchgeführt wurde, im Vergleich zur üblichen statischen Konservierung auf Eis . In der Subgruppe der Organe, die ihre Funktion erst verzögert aufnahmen, war der Vorteil besonders ausgeprägt: Ein Jahr nach Transplantation funktionierten noch 84 Prozent der maschinenperfundierten Nieren, aber nur 48 Prozent nach statischer Konservierung. Die Maschinenperfusion führt also vor allem bei Organen, die unter die ECD-Kriterien fallen, zu einem günstigeren Transplantatüberleben.
Ein zentraler protektiver Mechanismus der Maschinenperfusion scheint der Schutz des Endotheliums zu sein. Aktuelle eigene gefäßbiologische Untersuchungen haben die Zusammenhänge zwischen pulsatiler Perfusion, vaskulärem Phänotyp und Genexpressionsmuster des Endothels zeigen können. Eine Schlüsselrolle für die Erhaltung der vaskulären Homöostase hat dabei offenbar der endotheliale Transkriptionsfaktor Kruppel-like Factor 2 (KLF2). Seine Funktion – und das ist eine mögliche Erklärung – ist direkt vom pulsatilen Gefäßfluss und der resultierenden physiologischen Scherspannung des Endothels abhängig. Während bei pulsatilem Gefäßfluss und entsprechender Scherspannung eine ausgeprägte endotheliale Expression von KLF2 zu verzeichnen ist, hat die Unterbrechung des pulsatilen Flusses einen unmittelbaren und raschen Abfall der KLF2-Expression im Endothel zur Folge. Dies wiederum führt zu einer erhöhten pro-inflammatorischen und thrombogenen Aktivität des Endo-thels – Vorgänge, die auf molekularer Ebene mit dem Fehlen des protektiven Einflusses von KLF2 im Zusammenhang stehen.
Interessanterweise haben in-vitro Untersuchungen mit humanen Tubulus-Epithelzellen ebenfalls einen protektiven Einfluss pulsatiler Perfusion belegen können . Diese Ergebnisse bieten eine mögliche Erklärung für die günstigen Auswirkungen einer pulsatilen oder Maschinenperfusion im klinischen Kontext. Fehlende physiologische Flussverhältnisse und damit verbundene höhere Risiken für lokale Schädigungen und Entzündungsvorgänge bei der statischen Konservierung können hierbei möglicherweise eine höhere Immunogenität des Organs und eine Einbuße der Qualität erklären. Klinisch zeigen sich diese Zusammenhänge in geringeren Raten sofortiger Organfunktion, wobei höhere Abstoßungsraten wahrscheinlich werden.
Die hypotherme Maschinenperfusion stellt somit eine sichere und – gemäß aktueller Datenlage – überlegene Alternative zur statischen Organkonservierung dar, und zwar nicht nur für marginale Organe. Darüber hinaus zeichnen sich neue Perspektiven zur Optimierung der Organkonservierung ab.
Auf dem Wege zur konsequenten Umsetzung physiologischer Organkonservierungen stellen pulsatile Flussverhältnisse unter normothermen Bedingungen einen weiteren möglichen Fortschritt dar. Erste Studien über die Anwendung der normothermen Maschinenperfusion zur Konservierung von marginalen Nieren zeigen vielversprechende Ergebnisse mit deutlichen Vorteilen bei der Sofortfunktion der Organe . Die Ergebnisse einer erst kürzlich veröffentlichten Studie zur normothermen Maschinenperfusion von Spenderherzen sind gleichfalls ermutigend und belegen erstmals, dass mit dieser Konservierungsmethode mehr marginale Herzen transplantabel wurden . Gleichzeitig zeigen diese Untersuchungen, dass auch im extrarenalen Bereich innovative Konservierungsverfahren zu einer verbesserten Nutzung von marginalen Organen führen können. Organe, die bei statischen Verfahren nicht zur Transplantation geeignet sind, lassen sich möglicherweise nach Konservierung mit dynamischen Verfahren transplantieren. Im klinischen Kontext der Lungentransplantation konnte durch den Einsatz normothermer ex-vivo-Perfusion sogar eine Re-Konditionierung von marginalen Spenderorganen erreicht werden. So war es möglich, deutlich geschädigte Organe durch Anstoßen von Reparaturvorgängen über Ex-vivo-Perfusionen erfolgreich zu verpflanzen.
Ischämieschäden lassen sich kompensieren
Jüngste, bisher nur in Pressekonferenzen mitgeteilte Ergebnisse geben zu weiteren Hoffnungen Anlass: Aus Sydney wurde kürzlich über die ersten erfolgreichen Herztransplantationen nach einer längeren warmen Ischämiezeit – eine Situation, die bei Organspende nach Herzstillstand auftritt – berichtet, wenn nach Entnahme der Herzen eine normotherme Maschinenperfusion durchgeführt wurde. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Fälle bleibt abzuwarten, aber schon heute zeichnet sich ab, dass das Potenzial dieses Verfahrens für die Erweiterung des Spenderpools relevant ist.
Und es sind weitere Entwicklungen zu erwarten. Die Anwendung einer neuartigen hypothermen sauerstoffreichen Perfusionslösung hat im Tiermodell sowohl zu einer Reduktion des Ischämie-Reperfusionsschadens, als auch zu einer verringerten Immunogenität transplantierter Lebern über eine direkte Beeinflussung ortsständiger Immunzellen geführt, verbunden mit besserer Organqualität und weniger Abstoßungsreaktionen. Die Effekte der Temperatur bei der Organkonservierung sind wissenschaftlich und klinisch interessant, aber aktuell noch nicht zufriedenstellend beschrieben.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Organkonservierung ein zentraler Baustein ist bei den Bemühungen, dem Mangel an Organspendern und den demografisch bedingten Veränderungen des Spenderpools entgegenzuwirken, indem Organe transplantabel werden, die früher nicht verwendet werden konnten. Die hypotherme Maschinenperfusion ist das derzeit am besten untersuchte Verfahren zur Verbesserung der Organqualität. Auf experimenteller Ebene gibt es interessante Untersuchungsergebnisse, die auf einen Schutz des Blutgefäßendothels der Spenderorgane durch pulsatile Perfusion mit Konservierungslösung hinweisen.
Die Organqualität wird sich in Zukunft also vermutlich mit innovativen Konservierungsmethoden weiter verbessern lassen. Die Temperaturoptimierung gehört zu den Konzepten dafür, aber auch Untersuchungen zur Prognose der Organfunktionen während der Phase der Ex-vivo-Perfusion.