Ärztekammer warnt vor Medizinermangel auch in den Städten

Der Ärztemangel führt zu ernsten Problemen: In den Ländern fehlen Notärzte, Ärztekammerchef Wechselberger warnt vor einem „Flächenbrand“

Ärztemangel vor allem in den großen Städten: Turnusstellen blieben inzwischen unbesetzt, und für einst begehrte Posten fänden sich heute gerade noch ein bis zwei Bewerber
Ärztemangel vor allem in den großen Städten: Turnusstellen blieben inzwischen unbesetzt, und für einst begehrte Posten fänden sich heute gerade noch ein bis zwei Bewerber

(ES/Der Standard.). Graz/Salzburg/Innsbruck – Seit Monaten warnt die Gesundheitsbranche vor den Auswirkungen eines drohenden Ärztemangels – in der Steiermark führt er bereits zu ersten ernsten Versorgungsproblemen. In einigen Bezirken können die Notarztdienste kaum noch aufrechterhalten werden. „Wir bekommen von unseren Stützpunkten in letzter Zeit vermehrt die Mitteilungen, dass es immer schwieriger wird, Notärzte zu bekommen. Es ist ein wirklich ernstes Problem“, sagt der Geschäftsführer des Roten Kreuzes Steiermark, Michael Jaglitsch.

Der für die Notärzte zuständige Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) leugnet das nicht und lässt ausrichten, dass es „aufgrund der Verschärfung der arbeitszeitlichen Rahmenbedingungen tatsächlich in den kommenden Monaten zu personellen Engpässen bei Notärzten kommen könnte“.

Die Notärzte werden über die landeseigene Krankenanstaltengesellschaft Kages organisiert. Dort weiß man schon länger vor den Auswirkungen des Ärztemangels und warnt davor. Und er wird sich im Jänner 2015 noch verschärfen, wenn die EU-Arbeitszeitregelungen, auf die Voves anspielt, umgesetzt werden müssen. Die EU verlangt nämlich eine radikale Absenkung der Maximalarbeitszeit für Spitalsärzte. Das heißt, es werden österreichweit hunderte neue Ärzte benötigt werden.

„Wenig Geld für viel Arbeit“

Doch nicht nur die Steiermark ist von einem akuten Ärztemangel betroffen: „In den vergangenen Monaten breitete sich das Problem österreichweit zu einem Flächenbrand aus“, sagt Artur Wechselberger, Präsident der österreichischen Ärztekammer, im STANDARD-Gespräch. Medizinischer Nachwuchs fehle längst nicht mehr bloß auf dem Land. Turnusstellen blieben inzwischen unbesetzt, und für einst begehrte Posten fänden sich heute gerade noch ein bis zwei Bewerber – „zunehmend auch in größeren Gemeinden und Bezirksstädten“, sagt Wechselberger. Gründe dafür findet die Ärztekammer zahlreiche: „Unattraktive Kassenverträge, bessere Konditionen im Ausland, zu wenig Geld für zu viel Arbeit mit möglichst vielen Patienten.“

Problem der Abwanderung

An Jungärzten mangelt es gar nicht. Rund 1300 neue Medizinabsolventen strömen jährlich von den österreichischen Universitäten auf den Arbeitsmarkt. An der Medizinischen Universität Innsbruck etwa sei die Anzahl an Absolventen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. „Das Problem ist die Abwanderung vieler von uns ausgebildeter Ärzte“, sagt Rektorin Helga Fritsch. „Der Arztberuf muss in Österreich wieder attraktiver gestaltet werden. Hier ist die Politik gefragt.“

Die Problematik des Ärztemangels zeigt sich punktuell auch im salzburgerischen Großarltal im Pongau. Dort konnten die Bereitschaftsdienste zuletzt nicht mehr besetzt werden, da nur noch zwei Kassenärzte niedergelassen sind. Ärztliche Not-und Bereitschaftsdienste sind ebenso in Vorarlberg immer wieder ein Streitthema. Grund ist hier aber eher die Bezahlung.

Offene Stellen

Das Problem kennt man mittlerweile auch in Niederösterreich und Wien. Bei der Wiener Berufsrettung werden derzeit rund zehn Notärzte gesucht, sagt ein Sprecher. Insgesamt arbeiten dort in etwa 70 Notärzte. Trotz der offenen Stellen sei aber der „Rettungsbetrieb auf höchstem Niveau möglich“, wird versichert.

In Niederösterreich heißt es vom Roten Kreuz, noch habe man zwar keine unbesetzten Stellen, ein Notärztemangel werde aber angesichts des allgemeinen Ärztemangels „irgendwann kommen“. Bei der Kurie der angestellten Ärzte der niederösterreichischen Ärztekammer will man bereits von einzelnen Fällen gehört haben.

Nur im Burgenland ist man offiziellen Angaben zufolge noch weniger berührt von der Problematik. Es fehlen ein praktischer Arzt und ein Gynäkologe im Bezirk Jennersdorf, ansonsten gibt es – noch, wie die Sprecherin von Soziallandesrat Peter Rezar, Gerlinde Stern-Pauer, betont – keinen eklatanten Ärztemangel.