Lebendnierenspende auch langfristig nicht riskant

 In der Schweiz und anderen Ländern stammen mittlerweile rund 40 Prozent aller transplantierten Nieren von lebenden Personen.
In der Schweiz und anderen Ländern stammen mittlerweile rund 40 Prozent aller transplantierten Nieren von lebenden Personen.

Rund 40 Prozent aller Nierentransplantate stammen mittlerweile von lebenden Spendern. Im Bild: Nierentransplantation in Innsbruck, wo eine Frau ihrem Ehemann eine Niere spendet.
(ES/NZZ). Erstmals im Jahr 1954 vorgenommen, hat sich die Lebendspende in der Nierentransplantation inzwischen bewährt. In der Schweiz und anderen Ländern stammen mittlerweile rund 40 Prozent aller transplantierten Nieren von lebenden Personen. Viele Spender, aber auch die um deren Wohl besorgten Ärzte treibt gleichwohl die Frage um, wie gut der Körper den Verlust einer Niere auf längere Sicht zu verkraften vermag. Laut dem derzeitigen Kenntnisstand besteht zwar kein Grund zur Sorge. Zumindest gibt es bis anhin keine Hinweise, dass Lebendspender vorzeitig sterben. Dennoch bleibt ein gewisses Unbehagen. Denn die bisherigen Studien waren aufgrund methodischer Schwächen nicht in der Lage, die offenen Fragen zufriedenstellend zu beantworten.

Entwarnung geben nun allerdings amerikanische Forscher nach Auswertung der Gesundheitsdaten von mehr als 96 000 lebenden Spendern. ¹ Bei diesen handelte es sich um all jene Männer und Frauen, die in den USA zwischen 1994 und 2011 eine Niere gespendet hatten. Als Vergleich diente eine bezüglich Alter und Gesundheit analoge Gruppe von knapp 10 000 Personen, die an einer grossen epidemiologischen Erhebung beteiligt gewesen waren. Wie Dorry Segev und Abimereki Muzaale von der Abteilung für Chirurgie der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland, und Kollegen berichten, erlitten im Verlauf von bis zu 15 Jahren insgesamt 99 Organspender ein dialysepflichtiges Nierenversagen und im Vergleichskollektiv 7 Personen. Laut ihren Berechnungen folgt daraus, dass etwa 30 von 10 000 Spendern und 4 von 10 000 ähnlich gesunden Nicht-Spendern innert 15 Jahren mit dem Verlust ihrer Nierenfunktion rechnen müssen. In der Allgemeinbevölkerung liegt dieses Risiko demgegenüber bei 326 von 10 000, ist also merklich höher. Der Grund hierfür: Viele verbreitete Krankheiten, etwa Diabetes und hoher Blutdruck, gelten bei der Lebendspende als ein Ausschlusskriterium. Das heisst, hierfür kommen grundsätzlich nur Personen in Betracht, die sehr gesund sind und vor allem auch keine potenziell nierenschädigenden Krankheiten aufweisen.

Laut den Erkenntnissen der amerikanischen Forscher erkranken Lebendspender andererseits häufiger am Nierenversagen als ähnlich gesunde Personen der Allgemeinbevölkerung. Insgesamt sei diese Gefahr allerdings sehr gering, schreiben der kanadische Nephrologe John Gill von der University of British Columbia in Vancouver und ein Kollege in einem Editorial. ² Wie sie ferner einräumen ist auch die Studie der amerikanischen Forscher, obwohl eine der besten ihrer Art, methodisch nicht hieb- und stichfest. Zu ihren grössten Schwachstellen zähle, dass die Vergleichsgruppe aus einer anderen Erhebung stamme als die Lebendspender. Solche Gegenüberstellungen führten leicht zu einer Verzerrung der Ergebnisse, schreiben die Nephrologen. Daher lasse sich auch noch nicht abschliessend beurteilen, ob eine Lebendspende das Risiko für ein Nierenversagen tatsächlich erhöhe und, falls ja, wie sehr. Indes gehe aus der Studie klar hervor, dass solche Komplikationen auch längerfristig nur selten vorkämen. Um etwaige Gesundheitsstörungen frühzeitig angehen zu können, seien regelmässige Nachuntersuchungen des Spenders freilich unerlässlich.