(ES/AA). Die selten auftretende Nierenkrankheit Dense Deposit Disease (DDD) haben Wissenschaftler des Jenaer Hans-Knöll-Instituts unter die Lupe genommen und deren Ursachen aufgedeckt. Die Eiweiße des Immunsystems können bedingt durch eine Genmutation nicht fremde Zellen, sondern körpereigene zerstören.
Dense Deposit Disease ist eine seltene Krankheit und gute Therapien gibt es kaum, deshalb gilt ihr Verlauf oft als dramatisch. Betroffene Patienten sind auf eine lebenslange Dialyse angewiesen. Um ihr Leben zu retten, ist häufig eine Nierentransplantation nötig. Dramatisch ist außerdem, dass die schwere und seltene Nierenerkrankung vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 15 Jahren auftritt. Die Krankheit kann innerhalb von zehn Jahren zum völligen Versagen der Nieren führen.
Der Forscher Professor Peter Zipfel (Hans-Knöll-Institut,Jena) sagt, dass schon sehr lange an dieser Nierenerkrankung geforscht werde. Bei den betroffenen Patienten ist das Immunsystem gestört. Feindliche Erreger werden im Normalfall von unserer Immunabwehr bekämpft. Besonders schnell und direkt reagiert ein Teil davon, Komplementsystem genannt, auf bakterielle Eindringlinge. Das Komplementsystem bei den Patienten mit DDD ist jedoch überaktiv und arbeitet gegen den eigenen Körper, Ablagerungen in den Nieren entstehen. Die Filtrationsleistung der Nieren sinkt, bis diese total versagen.
Für diesen Prozess war bisher der Auslöser unbekannt, sagt Peter Zipfel. Lange Zeit waren er und sein Team bei der Suche danach nur auf abstrakte Überlegungen angewiesen. So ist ein Geschwisterpärchen aus Erlangen an DDD erkrankt. Der behandelnde Arzt Michael Wiesner vom Erlanger Universitätsklinikum stellte den Jenaer Forschern wichtige Blutproben zur Verfügung, die sie im Labor testen konnten. Um die Diagnose der Patienten stellen zu können, waren aufwendige Tests genetischer Art nötig. Nach etwa sechsjähriger Arbeit im Labor konnten die genetischen Ursachen des Geschwisterpaares bestimmt werden. Dadurch kam die Forschung entscheidend voran.
Untersuchungen am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie brachten die Forscher auf die Spur, dass bei den Patienten ein Gendefekt vorhanden sei. Die überraschenden Ergebnisse beschreibt Zipfel so: Im Komplementsystem wies nur ein einzelnes Eiweiß eine Mutation auf. Durch dieses veränderte Protein entstand eine neue Eiweiß – Konstellation im Komplementsystem. Dieses geriet dann außer Rand und Band und löste die heimtückische Nierenerkrankung aus.
Weiter berichtet Zipfel, dass die gewonnenen neuen Kenntnisse über die Krankheitsursache sofort mit den Erlanger Medizinern besprochen wurden. Die Behandlung der betroffenen Patienten wurde daraufhin geändert. So sei es möglich, im Blut der Patienten das schädliche Eiweiß zu eliminieren sowie frisches Blutplasma einzubringen.
Zipfel beschreibt weiter „Am Anfang war eine Besserung ersichtlich, die aber nur 24 Stunden anhielt, dann tauchte das schädigende Eiweiß wieder auf.“ Das war nur einer der Rückschläge, die das Forscherteam hinnehmen musste. Es wurde weiter geforscht bis man entdeckte, dass sich der Krankheitsverursacher in der Leber bildete. Zipfel sagt dazu, dass es den Wissenschaftlern bis jetzt noch nicht möglich sei, diesen Prozess von Anfang an zu blockieren. Peter Zipfel hat an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena eine Professur für Infektionsbiologie inne.
Dennoch haben die Wissenschaftler bis jetzt Möglichkeiten gefunden, die Störungen im Komplementsystem zu beherrschen. Ausgerechnet die vor etwa zwei Jahren in Norddeutschland aufgetretene EHEC-Epidemie, durch verunreinigte Sprossen verursacht, brachte den Jenaer Forschern neue Erkenntnisse. Zipfel berichtet, dass damals eine Diskussion um den Einsatz eines neuen Therapeutikums stattgefunden habe, das für diese Erkrankung noch nicht zugelassen war. Dieses Mittel, sowie zwei weitere, wurden von den Jenaer Forschern im Labormaßstab getestet.
Dabei handelt es sich um biologische Hemmer, sogenannte biological inhibitors. Sie haben die Eigenschaft, die überaktive Komplementkaskade zu bremsen, in Schach zu halten. Mit dieser Erkenntnis habe man den Erlanger Patienten helfen können. Die intensive Zusammenarbeit mit den Erlanger Ärzten war fruchtbar. Es konnte nicht nur die Krankheitsentstehung aufgeklärt, sondern auch die ersten Medikamente getestet werden, sagt der Infektionsbiologe.
Sehr wichtig ist, um einen Behandlungserfolg bei Dense Deposit Disease und anderen Nierenerkrankungen zu erreichen, die Diagnose so früh wie möglich stellen zu können. Ist nur ein Teil von den drei Millionen Nierenkörperchen kaputt, sind sie nicht mehr zu reparieren, sagt Zipfel. Aber er und sein Team schöpfen von den Forschungsergebnissen trotzdem Hoffnung. So könnten die Medikamente, die bei dem überbordenden Komplementsystem hilfreich sind, auch den Krankheitsverlauf bei den Patienten aufhalten, die über eine Spenderniere verfügen und womöglich die wöchentliche Dialyse hinfällig machen.