Glomerulosklerose: Ursache für chronische Nierenerkrankung geklärt

Glomerulosklerose: Ursache für chronische Nierenerkrankung geklärt

Zumindest für rund 50 Prozent der Fälle – Überproduktion von Mikro-RNA löst Fokal segmentale Glomerulosklerose aus

Die FSGS ist eine häufige Erkrankung. An unserem Institut werden bei jährlich rund 750 Eigenbiopsien zwischen 50 und 100 Fälle neue Fälle diagnostiziert", sagte der Leiter, Dontscho Kerjaschki.
Die FSGS ist eine häufige Erkrankung. An unserem Institut werden bei jährlich rund 750 Eigenbiopsien zwischen 50 und 100 Fälle neue Fälle diagnostiziert“, sagte der Leiter, Dontscho Kerjaschki.

(APA/ES) Wien – Wiener Wissenschaftler auf der Spur einer schweren und bisher unbehandelbaren Erkrankung: die Fokal segmentale Glomerulosklerose (FSGS). Laut Experten des Klinischen Instituts für Pathologie der MedUni Wien am AKH und des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) ist dafür in etwa der Hälfte der Fälle die Überproduktion einer Mikro-RNA in den Nieren verantwortlich. Die entsprechende Studie ist gestern, Sonntag, im „Nature Medicine“ publiziert worden.

„Die FSGS ist eine häufige Erkrankung. An unserem Institut werden bei jährlich rund 750 Eigenbiopsien zwischen 50 und 100 Fälle neue Fälle diagnostiziert“, sagte der Leiter, Dontscho Kerjaschki.

Die Ursache für die Krankheit war bisher bei den meisten Fällen nicht bekannt. Kerjaschki: „Zehn bis 20 Prozent dürften eine vererbbare Ursache haben. Bei 30 Prozent nimmt man bestimmte, im Blut zirkulierende Faktoren als Ursache an. Bei den restlichen 50 Prozent hatten wir bisher keine Ahnung.“

Nephrotisches Syndrom

Für die FSGS gibt es bisher auch keine ursächliche und gezielte Behandlung. Es kommt unter anderem zum nephrotischen Syndrom (Filtrationsversagen und deren Folgen) mit schweren Ödemen bis hin zur Zerstörung der Nierenfunktion und einer Urämie. Der Pathologe: „Der Rückstau von nicht ausscheidbaren, harnpflichtigen Substanzen im Blut der Patienten vergiftet den gesamten Organismus. Das kann nur durch chronische Blutwäsche oder eine Nierentransplantation verhindert werden.“

Bei der Krankheit vernarben Teile der harnbildenden, mikroskopisch kleinen Organe (die Nieren-Glomeruli). Dort überwachen Podozyten, eine spezielle Art von Zellen, die Filtrationsleistung und verhindern, dass wichtige Eiweißstoffe (z.B. Albumin) aus dem Blut in den Urin verloren werden.

Am Beginn stand laut Kerjaschki eine Beobachtung der Forschergruppe von Javier Martinez am IMBA in Wien. Im Rahmen einer onkologischen Fragestellung entdeckten sie bei Mäusen, dass eine bestimmte Mikro-RNA (mir-193a) in den kritischen glomerulären Zellen massiv überproduziert wird und das gesamte Programm der notwendigen koordinierten Gen-Regulation dieser Zellen abschaltet. Die Tiere starben.

Gezielte Behandlungsstrategien

Zurückzuführen war das offenbar auf die Nierenerkrankung. Dadurch wurden die Zellen des Filterapparates so sehr geschädigt, dass dies zum Zusammenbruch der gesamten Filtrationsleistung führte und die Blut-Harn-Schranke zerstört wurde. Am Institut für Klinische Pathologie wurde das Maus-Modell für die FSGS, auf das man dadurch gekommen war, auf den Menschen ausgedehnt. Bei der Untersuchung von Gewebeproben von Nierenpatienten stieß man auf eine 30- bis 50-fache Überproduktion dieser Mikro-RNA.

Solche Ribonukleinsäure-Moleküle spielen eine wesentliche Rolle in der Steuerung der Aktivität von Genen. Kerjaschki: „Die Überexpression dieser Mikro-RNA in den Zellen der Niere schlägt eine Schneise durch ihre Stoffwechselfunktionen und macht sie kaputt. Die Mikro-RNA mir-193a dreht die wichtige Regulation der für die Nierenfunktion wichtigsten Zellen ab.“ Erst nach Kenntnis der eigentlichen Ursachen für die Krankheit könne man jetzt daran denken, nach gezielten Behandlungsstrategien Ausschau zu halten.

In den vergangenen Jahren war das Klinische Institut für Pathologie der MedUni Wien am AKH mit Publikationen ausgesprochen erfolgreich. Die neue Studie ist schon die sechste in dem international führenden Magazin „Nature Medicine“ seit 2004. Jährlich werden an dem Institut, einem der größten Zentren für Nierenbiopsien in Europa, rund 1.600 solcher Gewebeproben befundet.