ANÖ Beitrag

21. August 2024

Zur Person: Fiona Fiedler ist seit 2019 für NEOS im Nationalrat aktiv und Sprecherin für Gesundheit, Pflege und Menschen mit Behinderungen. Sie ist Mutter zweier Söhne und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Graz.  C NEOS_David Alscher
Zur Person: Fiona Fiedler ist seit 2019 für NEOS im Nationalrat aktiv und Sprecherin für Gesundheit, Pflege und Menschen mit Behinderungen. Sie ist Mutter zweier Söhne und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Graz. C NEOS_David Alscher

NR-Wahl 2024: Interview mit Fiona Fiedler, Gesundheitssprecherin der Neos im Nationalrat

„Kritisch sehen wir die Streiterei zwischen den Versicherungsträgern und den Krankenhäusern, wer für welche Medikamente wie viel zahlt oder zuständig ist. „

Egon Saurer (ES): Sie sind seit 2019 Abgeordnete zum Nationalrat und üben die Tätigkeit als
Gesundheitssprecherin Ihrer Partei aus? Die Politik hat gelinde gesagt nicht das beste Ansehen in der
Bevölkerung! Wie erlebten Sie Ihre erste Parlamentsperiode?

Fiona Fiedler (FF): Ich habe ja früher in der Volksschule gearbeitet und sage immer, dass ich einen
Kindergarten gegen den anderen getauscht habe. Also manchmal muss man sich wirklich über das
Klima bei Parlamentsdebatten wundern. Mir liegt es aber gerade bei meinen Themen am Herzen,
Sachpolitik voranzutreiben und wirklich etwas zu verbessern. Und ich habe schon das Gefühl, dass mir
das auch immer wieder gelingt. Gemeinsam mit den anderen Parteien kann man wirklich etwas
bewegen – und wenn ein eigener Antrag angenommen wird und sich dadurch tatsächlich etwas zum
Positiven verändert, ist das wahnsinnig belohnend.

ES: Die Krankenkassen wurden zusammengelegt! Die ÖGK schreibt 2023 einen Verlust von 397
Millionen Euro. Neue teure Medikamente kommen auf den Markt. Ist unser Gesundheitssystem bei
anhaltendem Bevölkerungswachstum so überhaupt noch finanzierbar?

FF: Die gute Nachricht ist, dass es in unserem Gesundheitssystem noch enorme Effizienzpotenziale
gibt und wir deshalb die Versorgung ohne Probleme auch bei einem weiteren Bevölkerungswachstum
aufrechterhalten könnten. Vorausgesetzt, man bewegt die richtigen Hebel, reduziert
Mehrfachuntersuchungen und konzentriert sich auch verstärkt auf Prävention und
Gesundheitsbildung. Es gibt eine lange Liste an Einsparungsvorschlägen, die ohne jegliche
Leistungsreduktionen für die Patientinnen und Patienten umsetzbar wären.

ES: In den letzten Jahren gab es einen richtigen Innovationsschub in der Nephrologie. Fast wie in der Onkologie kommen neue Therapeutika auf den Markt, die aufgrund des Patenschutzes sehr teuer sind. Wir haben derzeit das Problem, dass diese teuren Produkte von den Kassen zum Teil nicht bewilligt
werden! Was sagen Sie grundsätzlich zur Versorgung auch mit teuren Medikamenten?

FF: Grundsätzlich hat die Versorgung in vielen Krankenhäusern sehr gut funktioniert – bis die
Innovationsboards und ihre Frage, ob man den Patientennutzen auch ökonomisch beziffern kann, in
einigen Bundesländern für Probleme gesorgt haben. Kritisch sehen wir die Streiterei zwischen den
Versicherungsträgern und den Krankenhäusern, wer für welche Medikamente wie viel zahlt oder
zuständig ist. Ich wünsche mir ein gemeinsames System, in dem nicht mehr die Finanzierungsfrage,
sondern einzig und allein der Patientennutzen im Vordergrund steht.

ES: Patientenvertreter haben sich gegen das neu geschaffene Bewertungsbord für teure
Medikamente ausgesprochen. Patienten müssen die Entscheidungen dieses Gremiums abwarten?
Wie sehen Sie diese Einrichtung?

FF: Mit dem Bewertungsboard wollte man diesen Finanzierungsstreit eigentlich beseitigen, nur ist
dabei leider viel falsch gegangen. Wir hätten uns gewünscht, dass die strikte Trennung zwischen
Medikamenten für den niedergelassenen Bereich und dem stationären Bereich aufgeweicht wird und
die redundanten Bundesländerboards abgeschafft werden. Wichtig wäre es auch gewesen, das Board
ähnlich wie Ethikkommissionen rein fachlich zu besetzen – mit Berücksichtigung von
Patientenstimmen. Dass in der Wartezeit auf die Geschäftsordnung bereits Behandlungen verschoben
wurden und es wohl zu Ablehnungen aus rein ökonomischen Motiven kommen wird, ist ein
untragbarer Zustand, der einer raschen gesetzlichen Änderung bedarf.

ES: Wir haben vor allem im Großraum Wien viel zu wenige Kassenordinationen. Haben Sie als
Gesundheitspolitikerin das Gefühl, dass sich Kassenverträge für Ärzte nicht mehr lohnen oder sind
auch andere Gründe ausschlaggebend für dieses Missverhältnis?

FF: Ja, es wird sehr oft darüber diskutiert, dass die Verträge nicht attraktiv genug sind. Es ist aber
auch teilweise einfach zu kompliziert in der Abwicklung. Insbesondere in Grenzgebieten müssen
Ärztinnen und Ärzte oft Verträge mit den Krankenkassen mehrerer Bundesländer abschließen. Das
macht nicht nur die Abrechnungen mühsam, sondern führt ihnen auch vor Augen, wie
unnachvollziehbar groß die Unterschiede bei der Entlohnung einzelner Leistungen sind. Hier braucht
es eindeutig eine Konsolidierung – wir hoffen sehr, dass in diesem Bereich auch tatsächlich
konstruktive Verhandlungen stattfinden. Leider gehört das aber zu jenen Bereichen des
Gesundheitssystems, auf die man als Nationalratsabgeordnete einer Oppositionspartei kaum Einfluss
und nur wenig Einblick hat.

ES: In Österreich wird das Gesundheitssystem von Bund, Ländern und der Sozialversicherung
finanziert! Sollte die Finanzierung nicht aus einem Topf erfolgen?

FF: Ja! Die Finanzierung des Gesundheitssystems aus einem Topf zählt schon seit Jahren zu unseren
Kernforderungen. Wie sinnvoll das wäre, ist längst wissenschaftlich belegt. Auch der Rechnungshof
hat bereits betont, wie dringend wir mehr Transparenz bei der Finanzierung unseres
Gesundheitssystems brauchen.

ES: Unbesetzte Kassenplanstellen, überlastete Spitäler, eklatante Lücken beim Personal bei einer
gleichzeitig steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung – das sind nur einige der
gesundheitspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre und für die nächste Legislaturperiode!
Wird die Politik das meistern können?

FF: Das ist die große Frage. Entscheidend wird sein, ob sich die unterschiedlichen Player in der
Gesundheitspolitik – Bund, Länder, Selbstverwaltung, Gemeinden und Kammern – zusammenraufen
können. Wir NEOS haben zahlreiche Vorschläge, wie Österreich die angesprochenen
Herausforderungen meistern kann. Manches könnte auch aus dem Finanzausgleich abgeleitet
werden. Letztlich geht es aber nicht nur darum, die besten Konzepte zu haben – sondern auch darum,
sich damit durchzusetzen und sie in der Praxis umzusetzen. Genau diese Durchsetzungs- und
Umsetzungsstärke vermissen wir aktuell im Bund. Da braucht es wohl eine unverbrauchte
Reformkraft wie uns NEOS.

ES: Werden wir uns in zehn Jahren das Sozial- Pensions- und Gesundheitssystem noch leisten
können, da immer weniger Nettozahler immer mehr Nettoempfänger schultern müssen?

FF: Auch hier geht es darum, die vorhandenen Effizienzpotenziale zu nutzen. Wichtig ist, dass wir
mehr Flexibilität nutzen, mehr auf Prävention setzen und so die enormen Folgekosten reduzieren.
Wenn wir hier umdenken, könnten wir natürlich auch dem Ausgabentrend entgegenwirken und
müssten uns diese Frage gar nicht mehr stellen.

ES: Vielen Dank für das Gespräch!

Hinweis:

Die Interviews der Gesundheitssprecher der anderen Parteien erscheinen am:
Gesundheitssprecher der Grünen Ralph Schallmeiner: 28.8.2024
Gesundheitssprecher der FPÖ Gerhard Kaniak: 4.9.2024
Gesundheitssprecher der SPÖ Philip Kucher: 11.9.2024
Gesundheitssprecher der ÖVP Josef Smolle: 18.9.2024