ANÖ Beitrag

10. Juli 2024

„Die Ergebnisse der Studie sind insgesamt vielversprechend und richtungsweisend für die künftige Schlaganfall-Therapie“, resümieren Markus Garschall und Lynne Baillie. @pixabay
„Die Ergebnisse der Studie sind insgesamt vielversprechend und richtungsweisend für die künftige Schlaganfall-Therapie“, resümieren Markus Garschall und Lynne Baillie. @pixabay

Assistenz-Roboter helfen Schlaganfall-Patientinnen und Patienten


AIT Austrian Institute of Technology und National Robotarium in Edinburgh untersuchen den Reha-Prozess und die Unterstützung bei halbseitig gelähmten Patientinnen und Patienten mithilfe von Robotern

(Wien/OTS) – Pro Jahr erleiden rund 19.000 Österreicherinnen und Österreicher einen Schlaganfall – das ist etwa ein Schlaganfall alle 27 Minuten. Nach Herzkreislauferkrankungen und Krebserkrankungen ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache in Österreich. Zwar hat die Sterblichkeit in den letzten Jahren deutlich abgenommen, aber viele Menschen sind durch die Folgen eines Schlaganfalls gesundheitlich stark beeinträchtigt. Etwa 80 Prozent der Überlebenden eines akuten Schlaganfalls leiden an einer starken Mobilitätseinschränkung bzw. einer Hemiparese (partielle Lähmung, die nur eine Körperseite betrifft). Umso wichtiger sind gezielte Rehabilitationsmaßnahmen, die von neuen Technologien gut unterstützt werden können. Soziale Assistenzroboter können hier nach Expertenmeinung einen guten Beitrag leisten.

Im Zuge des Projekts VITALISE wurde nun vom AIT Austrian Institute of Technology in Kooperation mit dem National Robotarium der Heriot Watt Universität in Edinburgh/Schottland untersucht, inwiefern halbseitig gelähmte Menschen durch eine Kombination von sozial assistierenden Robotern (SARs) und Brain-Computer-Interfaces (BCI; ein am Kopf getragenes Gerät mit mehreren Sensoren zur Messung von Gehirnströmen) in ihrer Rehabilitation der oberen Gliedmaßen und bei gezielten Bewegungsübungen besser unterstützt werden können. Die Patient:innen mussten den Arm heben und senken, und der Roboter Nao imitierte ihre Bewegungsübungen, auch wenn die Bewegung nur gedacht wurde.

Patientinnen und Patienten und Therapeutinnen vom Start weg beteiligt

Um möglichst authentische Bedingungen im Sinne eines Living Labs zu ermöglichen, wurde die Studie im neuen Therapiezentrum für neurologische Erkrankungen tech2people durchgeführt, das im Herbst 2023 in der Seestadt Aspern in Wien eröffnet wurde. Bei der Studie waren sowohl Patient:innen als auch Therapeutinnen und Therapeuten eingebunde

„Gerade im Bereich eHealth sind Co-Design-Methoden sehr hilfreich und funktionieren gut. Uns war es wichtig, einerseits die Benutzer:innen-Erfahrungen als auch die allgemeine Durchführung des Ansatzes sowohl bei Menschen mit Hemiparese als auch bei Physiotherapeut:innen zu untersuchen“, erklärt Markus Garschall vom AIT Center for Technology Experience. Er ist zudem seit Jahren auf das Thema AAL (Active and Assisted Living) spezialisiert und aktuell Vizepräsident bei AAL AUSTRIA. „Gleichzeitig war auch die transnationale Zusammenarbeit mit den Wissenschaftler:innen aus Schottland sehr inspirierend, wir brauchen gerade im Gesundheits-Bereich noch viel mehr an europäischer Zusammenarbeit und Austausch“, ergänzt Garschall.

Soziale Assistenzroboter mit menschenähnlichen Eigenschaften eröffnen viele Möglichkeiten, insbesondere können sie die eigenständigen Übungen der Betroffenen unterstützen. „Gerade in der neurologischen Rehabilitation ist ein konsequentes Übungsprogramm mit vielen Wiederholungen notwendig, um Fortschritte zu erzielen. Ziel ist es daher, Betroffene mittels SARs in ihrem eigenständigen Trainingsprogramm zu unterstützen und zu motivieren. Damit die Technologie tatsächlich genutzt wird, ist es allerdings wichtig, die Interaktion zwischen den Betroffenen und dem Roboter zu evaluieren. Außerdem war uns wichtig, die professionelle therapeutische Sichtweise auf die Nutzung eines solchen technischen Setups für Patient:innen zu bekommen, um es in Folge gemäß der Änderungswünsche adaptieren zu können“, betont Beatrix Wais-Zechmann, Forscherin am AIT Center for Technology und selbst Physiotherapeutin.

„Soziale Roboter können als Coaches fungieren, um die Motivation zu steigern, aber diese Systeme müssen das Vertrauen der Patient:innen genießen. Die Nachahmung menschlicher Handlungen während der Interaktion kann sich positiv auf das Vertrauen auswirken. Gehirn-Roboter-Schnittstellen könnten dies erleichtern, indem sie eine unmittelbarere und direktere Wahrnehmung menschlicher Zustände ermöglichen“, erläutert Lynne Baillie, Professorin für Informatik und Lead Human-Robotics-Interaction (HRI) am National Robotarium in Edinburgh/Schottland.

Resultate und Ausblick

Die Studie wurde über drei Monate lang mit Patient:innen und Therapeut:innen durchgeführt. Dabei wurden vor allem der Aspekt Vertrauen untersucht sowie die Eigenschaften erhoben, die dem Roboter von den Proband:innen zugeschrieben wurden. Mittels „Emotion Wheel“ hatten die Patient:innen die Möglichkeit, dem Roboter unterschiedliche Eigenschaften zuzuordnen. Erste Ergebnisse zeigen, dass der Roboter als hoch-kompetent eingestuft und tatsächlich wenig „Unbehagen“ gefühlt wird. Allerdings wird der Roboter als Maschine oder Gerät empfunden, die menschliche Wärme bleibt auf der Strecke. „Die Ergebnisse der Studie sind insgesamt vielversprechend und richtungsweisend für die künftige Schlaganfall-Therapie“, resümieren Markus Garschall und Lynne Baillie. Ein weiteres Evaluierungsprojekt mit Menschen mit Hemiparese ist für 2024 noch in Schottland geplant. „Die Studie hat einmal mehr gezeigt, dass der Einsatz von Robotern und neuen Technologien in der Rehabilitation die Effizienz und Effektivität der Therapie erheblich steigern kann, vor allem kann damit personalisierte und kontinuierliche Unterstützung angeboten werden. Dies hat das Potenzial, die Lebensqualität der betroffenen Patient:innen zu verbessern, die Therapiekosten zu senken und den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu mildern“, betont Markus Garschall.