„Nicht krank werden, der Gang ist voll“

Wiens Gesundheitssystem wird durch politische Unfähigkeit an die Wand gefahren
(Kommentar von Egon Saurer)

Heute fand um 9 Uhr in der Wiener Ärztekammer eine Pressekonferenz mit Univ. Prof. Dr. Thomas Szekeres (Wiener Ärztekammerpräsident) und Dr. Hermann Leitner (Vizepräsident) statt. Ich selbst hatte heute in Wien Gelegenheit den Ärztestreik und die Pressekonferenz zu beobachten. Also Beobachter und in Hintergrundgesprächen konnte ich erfahren, wie tief der Graben zwischen der Gesundheitsstadträtin und dem Wiener Ärztekammerpräsidenten mittlerweile ist. Seit einem Jahr sprechen beide nicht mehr miteinander. Ärzte sagten mir hinter vorgehaltener Hand, wie „verhasst“ in weiten Teilen der Mediziner die amtierende Gesundheitsstadträtin sei. Berichte, wonach es in Ambulanzen (z.B. Rudolfstiftung) zu verheerenden Zuständen komme (4 bis 8 Stunden Wartezeiten, Patienten sollten aufgenommen werden, aber das Kontingent sei schon längst voll) wurden weitergereicht. Ambulanzen seien bis spät in die Nacht „gesteckt voll“, während in den Gemeindespitälern der Sparstift verordnet worden sei. Schließlich habe Wien einen politisch gewollten und geförderten Zuzug von über 40.000 (2015: 43.900) pro Jahr zu bewältigen. Tendenz wohl durch die anhaltende Migration steigend.

Stadt Wien wächst um 40.000 neue Einwohner pro Jahr

Nur die Versorgung des Wiener Gesundheitssystems kann mit dieser rasch wachsenden Stadt (eine ähnliche Entwicklung ist auch am Wiener Wohnungsmarkt zu verzeichnen) nicht mithalten. Unter tosendem Applaus (nur das Mittagsgeläut des Stephansdoms überraschte) meinte Wiens Ärztekammerpräsident, dass sich ein Arzt in einer Nacht um 100 Patienten kümmern müsse.  Neben der Rücknahme der Nachtdienstreduktion spricht er sich auch gegen „flächendeckende Schichtdienste“ ohne Einwilligung sowie gegen ein „Herunterfahren des öffentlichen sozialen Gesundheitssystems“ aus.

Primar im KH Floridsdorf hat gekündigt

Der erst vor kurzem ausgeschiedene Vorstand der Chirurgischen Abteilung im KH Floridsdorf, Harald Rosen, der dem KAV gekündigt hat und auch kein weiteres Interesse mehr zeigt, die Chirurgische Abteilung im neuen KH Nord – sollte es jemals fertiggestellt werden – zu übernehmen begründet seinen Entschluss in seinem Kündigungsschreiben umfangreich – zusammengefasst: So wie der KAV waltet, könne er keine qualitativ gute medizinische Versorgung mehr gewährleisten, im Gegenteil, eine Gefährdung der Patienten sei nicht mehr ausgeschlossen.

Egon Saurer ist Vizepräsident der Arge Niere Österreich und Obmann von Nephro Tirol